Schade
Seit Jahr und Tag benutze ich mein Portmonee. Es hat eine ideale Aufteilung für so ziemlich alles. Karten, Münzen, USB-Sticks und vieles mehr. Nun ist der Reißverschluss kaputt und ich fummele in den Geschäften so lange am Schieber herum, dass es schon peinlich wird. Eigentlich kein Drama. Aber es erinnert mich an den Inhaber einer kleinen Drogerie bei uns in Curahuasi. Gelegentlich habe ich dort reingeschaut und jedesmal bat mich der Mittvierzigjährige, ich solle ihm doch mein Portmonee verkaufen. Jetzt ist er tot. Das Covid-Virus hat ihn einfach hinweggerafft. Man fand ihn bewegungslos und kalt in seinem Auto.
Cesar M. holt mich um 3:45 Uhr vor der Haustür ab und bringt mich an den Flughafen in Cusco. Er fährt ziemlich schnell und in gut zwei Stunden werden wir am Ziel sein. Die 1.000 Kurven sind in der Dunkelheit noch unangenehmer als bei Tageslicht. Natürlich reden wir über die aktuelle Politik und die Pandemie: “Jetzt liegen zwei meiner Bekannten im Krankenhaus”, sagt mir mein Taxifahrer, “der eine kriegt Sauerstoff in Abancay, der andere hängt intubiert an einem Beatmungsgerät in Cusco!”
Am Nachmittag telefoniere ich pausenlos von unserem Gästehaus in Lima und bereite für die nächsten Tage meine Termine vor. Daniel C. nimmt sich für mich viel Zeit. Der katholische Christ hat mit seiner Firma die Computersoftware unseres Spitals gespendet, eine Summe von über 30.000 USD. Wir benötigen ein Zusatzmodul und ich hoffe auf den bestmöglichen Preis. “In diesem Jahr sind zwei meiner Brüder an Covid gestorben”, erwähnt er plötzlich. “Wie bitte?”, frage ich. “Wie alt waren denn die beiden?” – “Mitte 50 und Anfang 60!” Wie er mir nun erzählt, waren in Lima die notwendigen Intensivbetten nicht rechtzeitig verfügbar. Am Ende ging es ziemlich schnell. Atemversagen. Tod.
Eine der Schlagzeilten bei RPP, dem wichtigsten Nachrichtenportal des Landes, lautete gestern: “Es warten derzeit in Peru 2.000 Patienten auf ein Intensivbett!” Wohl kaum einer dieser Um-Luft-ringenden wird Ende der nächsten Woche noch am Leben sein.
Im Internet werde ich mit etwas Glück das gleiche Portemonee auftreiben und mein Altes der Mülltonne anvertrauen. Ich könnte auch zwei kaufen und eines dem Inhaber der Drogerie geben. Ach nein, er liegt ja längst auf dem Friedhof von Curahuasi. Er braucht es nicht mehr.
Hoffentlich können wir in Peru irgendwo die zweite Biontech-Pfizer-Impfung für meine Frau besorgen. Tagtäglich sieht sie den Covid-Patienten ins Auge und mir wäre bedeutend wohler, wenn wir an ihren Abwehrkräften nicht zweifeln müssten. /KDJ
Ihr Lieben,
Martina ist in Wiesbaden immer noch auf unserer Gebetsliste. Ein Grund mehr, für sie zu beten, dass sie rechtzeitig die zweite Impfung
bekommt. Bleibt behütet und Gott anbefohlen!
Christel und Helmut Steitz