Ein Afghane am Morgen und ein Afghane am Abend

Zwei gute Erfahrungen

Strategisch günstig habe ich mich vier Tage lang in einer alten Mühle in Bokel einquartiert, also im Herzen Schleswig-Holsteins. Von hier fahre ich zu den letzten fünf Vorträgen meiner Deutschlandreise. Tagsüber kann ich im Hotel E-Mails beantworten und die Webseite auf Vordermann bringen.

Samstag. Am Morgen kehre ich in einer kleinen Bäckerei im Nachbarort ein. Bei einem Cappuccino sitze ich in der Ecke und fahre meinen Laptop hoch. Während ich arbeite, lausche ich den Gesprächen hinter mir. Der Inhaber entpuppt sich als genialer Verkäufer. Freundlich, interessiert und höflich. Wie ich höre, kommt er aus Afghanistan. Nach einem langen Aufenthalt in London hat es ihn vor vier Jahren nach Norddeutschland verschlagen. Seine Deutschkenntnisse sind hervorragend. Bei dem reichhaltigen Sortiment seines Ladens wundert es nicht, dass sich die Kunden die Klinke in die Hand geben.

Während der letzten Tage haben die Zuhörer meiner Vorträge fast 500 Bücher mitgenommen. Nun stecke ich im hohen Norden fest und es fehlt an Nachschub. Am Samstag hilft auch keine Express-Lieferung. Nichts geht. Einfach schlechtes Timing. Doch Karin Straßheim aus unserem Büro sucht eine Lösung. Sie telefoniert unentwegt mit der Mitfahrerzentrale. Und siehe da am Nachmittag übergibt sie auf einem Parkplatz unweit der A 5 vierzig Bücher an einen Boten ihres Vertrauens. Der Besitzer des Fahrzeugs, ein Afghane, verspricht in der Nacht mit der wichtigen Fracht in Hamburg auf mich zu warten.  Nach meinem Vortrag in Groß-Quern an der dänischen Grenze fahre ich so schnell es geht zur Metropole an der Elbe. Um 22:30 Uhr stehen wir uns irgendwo in der 2-Millionen-Stadt gegenüber. Der Afghane reicht mir die schwere Kiste und will wissen, ob ich das Buch selbst geschrieben hätte. “Ja, antworte ich, “wir leben als Missionsärzte in Peru!” – “Und haben Sie Gott gesehen?”, fragt er mich in Anspielung auf den Buchtitel. – “Um ehrlich zu sein”, antworte ich, “wäre es sehr schwer unsere Geschichte ohne Gott zu erklären!”

Im Hotel steht ein beleuchteter Globus. Nach meinen Begegnungen mit den beiden Afghanen ist das entsprechende Bild fällig. Leider gibt es den Band “Ich habe Gott gesehen” noch nicht in der Sprache der Paschtunen und Tadschiken. Nur eine Frage der Zeit. Mal sehen, wann die Gelegenheit günstig ist. /KDJ

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