Auf der Suche nach dem Land der Träume

 Land der Traeume

 Von Alister McGrath, Oxford University

Im tiefsten Inneren sehnen sich viele von uns nach etwas von wirklichem Wert. Wir suchen nach etwas, das wirklich von Bedeutung ist. Etwas in ihrer Natur bringt die Menschen anscheinend dazu, sich nach etwas zu sehnen, was ihr Leben verändert. Während vielen der Gedanke an den Tod zu schaffen macht, treibt andere eine viel tiefere Angst um – dass wir sterben könnten, ohne je gelebt zu haben.

Der große römische Politiker Marcus Tullius Cicero schrieb einmal, er wünsche sich, dass wir alle jung sterben könnten. Warum? Weil wir dann nicht mehr erleben müssten, wie unsere Hoffnungen und Ideale an der harten Realität zerbrechen. So oft lösen sich unsere Träume in nichts auf. Man hat uns gesagt, der Erste Weltkrieg werde der Krieg sein, der allen Kriegen ein Ende macht. Traurigerweise kam es anders. Starke Worte, aber leere Worte. Wenn wir einen Menschen auf den Mond schicken können, wurde uns gesagt, können wir fast alles erreichen. Trotzdem sind Armut, Krankheit und Krieg nach wie vor große Probleme.

Viele junge Leute träumen von einer Welt, in der Ausbildung und eine gerechtere Verteilung des Reichtums Armut, Krankheit und Krieg beseitigen. Einer der Gründe dafür, dass der Marxismus in den Sechzigerjahren so viele junge Leute ansprach, war seine Vision einer Gesellschaft, die frei ist von allem Schmerz und allen Übeln der Gegenwart. Diese Vision gab Hoffnung für die Zukunft. Zudem verhieß sie all jenen einen Platz in der Geschichte, die die Revolution herbeiführen würden, um dieses neue Zeitalter einzuläuten. Trotzdem zerbrach der Traum, als allmählich klar wurde, dass er auf Illusionen und Verzerrungen beruhte.

Protestsongs bringen solche großen Hoffnungen häufig zum Ausdruck und sprechen von einem Ende menschlichen Unglücks. Doch viele der Liederschreiber blicken später mit mehr Lebenserfahrung zurück und fragen sich, wie sie in ihrer Jugend so naiv sein konnten. Sie verbringen die zweite Hälfte ihres Lebens damit, die erste Hälfte zu vergessen, zu verleugnen oder wegzuerklären. „Wir waren damals jung, und alles schien so real und zum Greifen nahe. Heute wirkt es nur mehr hoffnungslos idealistisch und wirklichkeitsfremd.“ Oft zeigt sich deutlicher Zynismus. „Damals war ich naiv. Jetzt bin ich aus all dem rausgewachsen.“

Die Hoffnung aber, die Sehnsucht, etwas Wertvolles zu tun, war real. Sie richtete sich nur offenbar auf etwas, das letztlich nicht trug. Nicht die Hoffnung oder die Sehnsucht waren verfehlt, sondern die Ziele. Die Erfahrung scheint uns zu lehren, dass wir jedes Mal, wenn wir uns etwas wünschen, enttäuscht werden. Wenn man es zulässt, kann das sehr leicht zu Zynismus führen. „Es hat keinen Sinn, sich nach etwas zu sehnen, etwas wichtig zu nehmen, zu erhoffen – man ist am Ende doch nur verletzt und enttäuscht.“

In anderen Bereichen des Lebens kann man dieses Gefühl der Hoffnungslosigkeit oft beobachten. Viele von uns wissen von ehrgeizigen Menschen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, ganz nach oben zu gelangen. Das ist meist mit enormen Opfern verbunden – Überstunden, wenige Zeit für die Familie und Freunde. Schließlich, meist spät im Leben, erreichen sie ihr Ziel. Zuerst verleiht ihnen das eine gewaltige Genugtuung und ein starkes Hochgefühl: „Ich hab’s geschafft!“ Aber irgendwie scheint dieses Gefühl dann einer anderen Empfindung Platz zu machen. „War es das wert?“ Ein sehr bekannter Autor wurde einmal gefragt: „Was hätte man Ihnen schon mit sechzehn sagen sollen, von dem Sie heute wissen, dass es wahr ist?“ Seine Antwort: „Ich wünschte, jemand hätte mir gesagt: „Wenn du an die Spitze kommst, ist dort nichts.“ Wieder verspüren wir dieses Gefühl der Leere, und das umso schmerzlicher, als wir etwas zu finden hofften, das uns endlich Erfüllung bietet.

Oft scheint es, als wären wir Pioniere auf der Suche nach einem Gelobten Land, wo Milch und Honig fließen. Die Vorfreude darauf hält uns aufrecht. Wir überqueren Berge und hoffen, das Gelobte Land zu sehen, das sich vor uns erstreckt und uns einlädt, es in Besitz zu nehmen. Stattdessen erklimmen wir Berge, nur um zu entdecken, dass dahinter noch weitere liegen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns. Die Aufnahme ins Paradies scheint fürs Erste aufgeschoben.

Seit jeher war diese Sehnsucht nach etwas Magischem, Erfüllendem und Befriedigendem Thema der Literatur. Das biblische Motiv des Gartens Eden wird oft als Bild eines friedlichen Paradieses verstanden, in dem die menschlichen Sehnsüchte Erfüllung finden. Dieses Bild kann die Form einer tropischen Insel annehmen, an deren prächtigen goldenen Stränden sich der warme blaue Ozean bricht, wo die Luft klar und rein ist und alle menschlichen Probleme vergessen sind. Eine äußerst reizvolle Vision, aber für die meisten von uns nicht mehr als ein Traum, der leicht als Versuch abgetan wird, sich über die graue und schäbige Tristesse des eigenen Lebens hinwegzutrösten.

Und doch lässt uns eine Frage keine Ruhe: Können wir diese menschliche Sehnsucht nach etwas, das offenbar jenseits unseres Selbst liegt, als eine – wenn auch schöne – Illusion abtun, die uns nur von der harten Realität ablenkt? Oder könnte diese Sehnsucht ein Wegweiser sein, der uns ins Gelobte Land führt? /Alister McGrath

So muss es sein – trefflich gefolgert, Plato! – Woher denn sonst die Hoffnung, das Verlangen, das innere Sehnen nach Unsterblichkeit? Oder woher die insgeheime Furcht, das Grauen vor dem Nichts? Was schrickt die Seele denn zurück und fürchtet die Vernichtung? Es ist die Gottheit, die sich in uns rührt, der Himmel selbst, der uns ein Jenseits weist, und die Ewigkeit den Menschen ahnen lässt. Joseph Addison, Cato, V.I.i (Kleines Foto: Hagen Bruder)

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