Eine ganz bittere Erkenntnis

Peru ist kein Rechtsstaat

Vor 50 Jahren hörte ich im Kindergottesdienst das Gleichnis Jesu von der “armen Witwe und dem ungerechten Richter”. Mir erschien diese Geschichte völlig weltfremd. Ich kannte damals keine böswilligen Richter. Am Familientisch wurde über Politik, Kirche und Geographie gesprochen. Korrupte Justizbeamte tauchten in diesen Gesprächen nie auf.

Was ein verdorbenes Rechtssystem ist, lernte ich dann viele Jahre später in Südamerika kennen. Es vergeht derzeit in Peru kein Tag an dem nicht neue Enthüllungen über korrupte Gerichtshöfe bekannt werden. Selbst ein Vergewaltiger wurde freigesprochen, nachdem er einen Richter bestochen hatte. Auf dem jüngsten Titelblatt der Zeitschrift Caretas wird Richter César San Martín zitiert: “Wir sind schmutzig. Wir müssen uns ändern!”

Wer keine Beziehungen hat kommt im peruanischen Rechtssystem gnadenlos unter die Räder. Unlängst machte ich mit dieser traurigen Realität meine eigenen Erfahrungen. Ich hatte die Absicht als Direktor des Hospitals Diospi Suyana offiziell bei der Staatsanwaltschaft Anzeige zu erstatten. Es ging um ein Verbrechen, dessen gründliche Aufklärung ich mit dem Prozess erreichen wollte.

Doch eine geschlagene Stunde weigerte sich die Staatsanwältin meine Anklage anzunehmen. Ich rief sofort im Justizministerium in Lima an, um mich zu beschweren. Die Antwort aus der Hauptstadt war völlig klar: “Die Staatsanwältin ist gesetzlich verpflichtet die Anzeige aufzunehmen!”, sagte mir eine hochrangige Direktorin, “falls die Dame sich weiterhin weigern sollte, bringen wir den Fall auf den Schreibtisch des Ministers!”

Am Nachmittag erfolgte mein zweiter Versuch. Auch diesmal wieder in Begleitung von drei peruanischen Zeugen. Erneut biss ich auf Granit. Die Anwältin dachte nicht im Traum daran ihrer Pflicht nachzukommen. Stattdessen machte sie sich über mich lustig. Schließlich sah ich ihr fest in die Augen und sagte langsam: “Frau Staatsanwältin, ich habe eben mit dem Justizministerium im Lima telefoniert. Falls Sie mich keine Anklage erheben lassen, landet der Vorgang auf dem Schreibtisch des Ministers!” – Pause –

“Na, dann warten Sie mal draußen”, antwortete die hohe Vertreterin des peruanischen Rechtssystems völlig irritiert”, sie können ihre Anklage nachher zu Protokoll geben!”

Nach weiteren 50 Minuten Wartezeit durfte ich endlich das sagen, was ich schon am Morgen sagen wollte. Ein höchst merkwürdiges Verhalten einer Staatsanwältin. Wie lässt sich das erklären?

Am nächsten Tag kam etwas Licht in das Dunkel. Die Anwältin ist mit der angeklagten Familie befreundet und lebt sogar mit ihr im gleichen Haus.

Wer in Peru nicht über viel Geld, Einfluss oder Kontakte verfügt, hat kaum Chancen sein Recht zu erhalten. Dieser Vorgang zeigt, dass die Worte Christi von damals brandaktuell sind. Leider. (Lukas 18, 1-8)/KDJ

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