Cocablätter in der Bauchhöhle

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Der Fall des Monats

Don Pedro* liebt die freie Natur. Als Schafhirte hält er sich die meiste Zeit draußen auf und Wind und Wetter sind sein Leben. Man könnte auch sagen, dass der 65-jährige hart im Nehmen ist. Er verliert kein unnötiges Wort über einen blauen Fleck am Bein oder eine Schramme am Arm. Als er allerdings am letzten Donnerstag hinfiel, tat sein Bauch so weh, dass er Cocablätter kaute, um die Schmerzen zu betäuben. Seit Jahrhunderten kennen die Quechua-Indianer die schmerzlindernde Wirkung von Coca. Bei Pedro wurde es aber immer schlimmer. In der Nacht brachte seine Schwiegertochter ihn ins Hospital Diospi Suyana.

Als Dr. Jens Haßfeld bei der Untersuchung leicht auf die Bauchwand drückte, zuckte der Quechua-Indianer zusammen und stöhnte. Offensichtlich lag ein ernstes Problem vor. Das Röntgenbild bestätigte diesen Verdacht. Über der Leber fand sich eine Luftsichel. Also war irgendwo im Bauch ein Organ geplatzt und Luft in den Bauchraum gelangt. Da die Röntgenaufnahme im Stehen angefertigt wurde, sammelte sich diese Luft unter dem Zwerchfell.

Dr. Matthias Stephani, der zum neunten Mal am Hospital Diospi Suyana als Chirurg aushalf, eröffnete wenig später die Bauchdecke. Zu seiner Überraschung fand er Reste von Cocablättern im Bauchraum – also außerhalb der Darmschlingen. Wahrscheinlich ist der Norddeutsche der erste Chirurg Europas, der jemals Coca an dieser Stelle entdeckt hat. Nach einer langen Suche konnte er das Loch im Dickdarm identifizieren. Auf Grund der akuten Bauchfellentzündung legte er einen künstlichen Darmausgang an und spülte den Bauch mit NaCl.

Bei der Übergabe am Morgen blickte der Patient besorgt drein, aber er war immerhin am Leben. Wer kümmert sich jetzt eigentlich um die vielen Schafe? (*Name verändert)

Uebergabe der Chirurgen slider
Dr. Matthias Stephani (rechts) stellt seiner Kollegin Dr. Annette Haar (links) den Patienten vor.
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