
Wenn die Familie zerfällt
“Wie viele Geliebte haben Sie zurzeit?”, fragte mich ein Taxifahrer in Lima. “Meine Frau reicht mir voll und ganz!”, lautete meine kurze Antwort. Dann gab ich die Frage postwendend zurück. “Und Sie?” – Ohne zu zögern sagte er: “Ich habe vier!”
Ein anderer Taxifahrer erzählte mir während einer Fahrt durch die Hauptstadt, dass sein Vater mit sieben Frauen Verhältnisse unterhalten hätte. “Mein Vater war immer irgendwo, ich habe ihn bei uns zu Hause fast nie zu Gesicht bekommen!”
Nicht ohne Grund macht sich das Buch der Bücher für das uralte Erfolgsmodell “Vater- Mutter- Kind” stark. Es funktioniert aber nur, wenn in dieser Zelle alle Mitglieder durch Treue verbunden bleiben.
Wir sollten die Peruaner nicht belächeln, denn in Europa und in den USA steht es um die Familie nicht viel besser. Wo hin man schaut scheint sie einem Korrosionsprozess unterworfen zu sein. Als Ergebnis bilden sich Patchworkfamilien. Sie stellen eine Notlösung dar und entsprechen sicherlich nicht dem Originalentwurf des Erfinders (Gott).
Zu Weihnachten 2010 schrieb eine Redakteurin der taz über ihre eigene Familienkonstellation: “Heiligabend werden meine Tochter und ich mit einer Freundin, deren beiden Töchtern, dem neuen Freund der Freundin und dessen Kindern verbringen. Mein Freund wird bei seinen drei kleinen Kindern und deren Mutter sein. Am nächsten Tag wandert meine Tochter zu ihrem Vater und mein Freund zu mir. Der Vater meiner Tochter hat eine neue Frau und mit ihr ein weiteres Kind, mein Freund ist von seiner Frau getrennt. Seine drei Kinder verbringen nach Heiligabend einen Tag allein mit ihrer Mutter, dann einen Tag bei ihrem Vater. Danach werden mein Freund, seine Kinder und ich zusammensein, später kommt noch meine Tochter dazu. Klingt kompliziert? Ist kompliziert! Unsere Weihnachtsferien bestehen aus Taschenpacken, Autofahren, Telefonieren, Stress. Wir sind das, was man eine ganz normale Patchworkfamilie nennt: Zusammengewürfelt aus Beziehungen, die nicht mehr bestehen, und Menschen, die sich regelmäßig treffen (müssen), weil sie gemeinsame Kinder haben. Eine Story, die laut gelesen wie »Loriot« klingt, wäre das nicht alles (für die Kinder) bitterer Ernst… !” (Letzter Abschnitt zitiert aus “Nur die Wahrheit zählt” von Peter Hahne) /KDJ