Verspätet

Wenn das Leben nicht nach Plan geht

Pünktlich landet die Maschine der Lufthansa in Bogota. In zweieinhalb Stunden soll mich der Anschlussflug in der Nacht nach Lima bringen. Der Airbus steht auf einer Außenposition und einige Busse bringen die Fahrgäste ans Flugzeug. Kaum habe ich auf meinem Sitz Platz genommen, schlafe ich gleich ein. 21:00 Uhr in Kolumbien entspricht 4:00 Uhr in der Frühe in Westeuropa. Gelegentlich werde ich wach. Wir stehen immer noch in Parkposition. 90 Minuten später bricht der Kapitän sein Schweigen. Es liegt leider eine technische Panne vor. Wie wir hören müssen wir wieder zurück ins Gebäude. Es folgt eine Busfahrt ins Ungewisse. Eine miese Stimmung macht sich unter den Passagieren breit. Der Weiterflug ist auf 5 Uhr am Morgen angesetzt. Verspätung über 7 Stunden.

Ich fahre den Laptop hoch und will den Diospi Suyana-Infobrief für Oktober schreiben. Doch plötzlich hapert es mit der Software und ich muss erst einmal am Montag die Lizenz erneuern. Alles ist ziemlich ärgerlich, aber ich weiß, ich habe wirklich keinen Grund zum Klagen. Ich habe weder in Cherson übernachtet, noch wurde ich von der Hamas geweckt. Und das Erdbeben in Afghanistan ist weit weg.

Vor dem Start in Frankfurt hatte ich noch ein kurzes Gespräch mit einem Unterstützer von Diospi Suyana. Er kämpft seit einem Jahr gegen den Krebs. Vor einigen Tagen erfuhr ich von Freunden, dass ihr Sohn – in den Dreißigern – völlig unerwartet an einer malignen Knochenmarkskrankheit leidet. Prognose: Unklar.

Bogota am Gate A7B: Während links und rechts von mir enttäuschte Fahrgäste auf dem Boden der Wartehalle vor sich hin dösen, sehe ich die letzte Ausgabe meiner Lieblingssendung des ERF “Mensch – Gott”. Den kleinen Lautsprecher halte ich an mein Ohr, um niemanden zu stören. In der Sendung berichtet ein Mann vom Tod seiner Frau und wie er plötzlich mit vier kleinen Kindern auf sich allein gestellt war. Es kam der Augenblick an dem er sich entscheiden musste, entweder an seinem Glauben festzuhalten oder Gott abzuschwören…

Wenn wir um 5 Uhr wirklich abheben und wenn ich in Lima einen baldigen Flug nach Cusco ergattern könnte, wäre ich irgendwann am späten Nachmittag – anstatt am Vormittag – in Curahuasi. Dann geht der Kampf mit den Behörden sofort weiter. Die Beamten Perus produzieren nämlich absolut zuverlässig schlechte Nachrichten und auch humanitäre Werke wie Diospi Suyana sind dieser Ignoranz und mitunter sogar offenen Boshaftigkeit ausgesetzt – genauso wie jeder andere auch.

Mir kommt ein Zitat des Paulus in den Sinn. Mit diesen Worten enden seit fast 2 Jahrzehnten alle meine Vorträge:

“Das ist alles, was ich will. Ich möchte Jesus Christus kennen und die Kraft seiner Auferstehung erfahren… in der Hoffnung einmal selbst vom Tod zum Leben aufzuerstehen!” (Phil. 3,10) In all den Jahren ist kaum jemanden aufgefallen, dass ich den halben Bibelvers weggelassen habe. Bei Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen steht nämlich geschrieben: “Ich möchte die Leiden mit ihm teilen und so sterben wie er gestorben ist!”

In den letzten Wochen habe ich über diesen Abschnitt oft nachgegrübelt. Dabei wurde mir klar, dass wir in gewisser Weise wirklich die Leiden Christi teilen. Jede Schikane, die wir bei Diospi Suyana durchmachen, jeder Frust und jede durchwachte Nacht, jede Undankbarkeit und üble Nachrede – ist eine Folge unserer Entscheidung in Peru zu helfen. Wir arbeiten im Namen Christi für die Notleidenden der Anden – und das ist wahrlich kein Zuckerschlecken. “Und so sterben wie er gestorben ist!” Am Ende seines Lebens sagte Jesus am Kreuz: “Es ist vollbracht, geschafft. Ich habe meinen Auftrag erfüllt!” Ja, so oder ähnlich wollen es meine Frau und ich auch einmal formulieren – in unserer letzten Stunde. /KDJ

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