Sie müssen früh aufstehen, wenn Sie in dieser Kirche einen Platz bekommen wollen

Der Ort seiner Gegenwart – El lugar de su presencia

Samstagnachmittag: Es dauert geschlagene drei Stunden bis ich alle Kontrollen am Flughafen von Bogota passiert habe. Die Allgemeinchirurgin Dr. Johana wartet geduldig am Ausgang. Ihr Mann Dr. Ivan Martin ist einer der wenigen Chirurgen für Organtransplantation in Kolumbien. Diese beiden Ärzte beherbergen mich dankenswerterweise in ihrer Wohnung. Vom Jetlag bin ich etwas gebeutelt, aber noch am gleichen Abend treffe ich den Manager eines bekannten südamerikanischen Sängers – Alex Campos. Immerhin ist der Kolumbianer, der mittlerweile in Houston lebt, mit fünf Latin Grammy Awards ausgezeichnet worden. Das Treffen dauert sieben Stunden. Nachts um 2 Uhr endet unsere Begegnung mit vielen guten Ideen.

Um 6 Uhr am Sonntagmorgen ist es an der Zeit aufzustehen. Wir wollen einen Platz im ersten Gottesdienst der Kirche “El Lugar de su Presencia” bekommen. Keine leichte Aufgabe. Sicherlich 1.000 Menschen stehen kurz nach 7 Uhr am Eingang Schlange. Ivan, seine Tochter Isabella und ich ergattern noch drei freie Stühle. Wie ich gleich sehen kann sind alle 3.000 Plätze im Auditorium besetzt. In der Halle dahinter sitzen weitere 1.500 Menschen und mehrere Hundert in diversen Konferenzsälen. 5.000 Menschen im Sonntagmorgengottesdienst, so ein Ergebnis wäre von einer europäischen Kirchengemeinde nicht leicht zu toppen. Aber hier werden 8 Gottesdienste hintereinander gefeiert. Zu den 40.000 Gottesdienstbesuchern kommen aber noch Zehntausende, die sich im Internet zuschalten.

Blick nach links. Nicht ein freier Platz

Hier gibt es kein Freibier und auch keine kostenlosen Krankenheilungen. Natürlich werden die Gottesdienste mit südamerikanischem Flair gefeiert. Aber die Predigt von 40 Minuten ist sachlich und der Redner trägt sie bescheiden vor. Jeden einzelnen seiner Sätze kann ich innerlich unterstreichen. Im Zentrum steht der Glaube. Tausende hören gebannt zu. Das Publikum besteht aus Menschen aus allen Schichten. Die Hälfte sind Männer. Alt und jung. Mir fällt sofort auf, dass die Leute mit dem Herzen dabei sind. Gottesdienst ist für sie eine Leidenschaft. Denn was kann es besseres geben, als den Sonntag in der Gegenwart Gottes zu beginnen. Niemand drückt auf die Tränendrüse und eine Kollekte wird auch nicht eingesammelt. Das alles beherrschende Thema ist die Realität Gottes, die menschliche Beziehungen heilt und eine positive Veränderung der Gesellschaft bewirkt.

Zentraler kann die Botschaft einer Kirchengemeinde nicht sein: Jesus Christus

Die Band auf der Bühne bringt es mit ihren Liedern auf Youtube auf viele Millionen Klicks. Genau das Richtige für ein Diospi-Suyana-Jugendfestival. In der Pause bietet sich mir die Gelegenheit mit Orlando Reyes zu sprechen. Er ist einer der sechs Pastoren. Die Bilder im Laptop zeigen ihm in 20 Minuten, dass Gott überall am wirken ist – auch in Curahuasi, Peru.

“Es wäre toll, wenn ihre Musikgruppe bei unserem Jugendfestival im April dabei sein könnte!”, meine ich abschließend. Pastor Orlando nickt, er sieht das offensichtlich genauso wie ich. “Schicken Sie mir einen offiziellen Brief in der nächsten Woche, wir wollen versuchen zu kommen!”

Ein Theaterstück auf der Bühne

Das Durchschnittsalter der Gottesdienstbesucher entspricht dem der kolumbianischen Gesellschaft. Die junge Generation überwiegt.

Eine sachliche Predigt von 40 Minuten. 5.000 Menschen in den Auditorien hören live zu. Der erste Gottesdienst. Sieben weitere werden noch folgen: 8 x 5.000=40.000 Zuhörer an diesem Sonntag. Außerdem noch Zehntausende im Internet
Orlando de Reyes, einer der Pastoren, hat soeben die Geschichte von Diospi Suyana gehört.
Eine kleine Kirchengemeinde im Süden Bogotas. 150 Stühle sind gestellt, aber mit den Stehplätzen auf der Straße nehmen mindestens 180 Menschen an dem Gottesdienst teil.

Dr. Ivan Martin zeigt mir noch eine Kirchengemeinde im Süden Bogotas. In dieser Gegend ist er aufgewachsen und seine Mutter besucht hier jeden Sonntag die Gottesdienste. Die Bude ist rappelvoll. Die Leute stehen bis auf die Straße und folgen aufmerksam dem zweistündigen Programm. Am Ende schüttele ich mindestens 150 Hände und freue mich über die Herzlichkeit meiner “Brüder und Schwestern im Glauben”.

Das können sich Westeuropäer kaum vorstellen. Wahre Menschenmassen aus allen Sektoren der Gesellschaft füllen in Südamerika große und kleine Kirchen. Menschen, die Hunger und Durst auf eine persönliche Begegnung mit Gott haben. Die Gegenwart Gottes füllt das Loch in der Seele. Eigentlich keine neue Erkenntnis. Leider haben die meisten Bewohner im Westen diesen Tatbestand vergessen. Vielleicht wird man irgendwann die letzten Kirchen Europas in Museen und Diskotheken umfunktionieren. Doch damit würde das Ende des christlichen Glaubens nicht eingeläutet. Abermillionen Menschen – Universitätsprofessoren und Schuhputzer, Firmenchefs und Studenten, Ex-Atheisten und frustrierte Esoteriker, Reiche und Arme strömen in Amerika, Afrika und Asien in die Kirchen. Sie wissen, dass Geld nicht satt macht, aber dass die Liebe Gottes ihnen Vergebung, Zuversicht und Orientierung schenkt.

Wenn Sie mich fragen, trägt die Hoffnung der Menschheit einen Namen: Jesus Christus!/KDJ

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