Peru hat eine Beziehungskultur

Ccunac Leute

Und die führt manchmal zu überraschenden Ergebnissen

Freitagmorgen. Am Apurimac-Fluss werden einige Lichtmasten feierlich eingeweiht. Das ist keine große Sache, möchte man meinen, trotzdem nehmen rund 50 Menschen an der Zeremonie teil. Als mich der Chef der halbstaatlichen Elektrizitätswerke Electro Sur am Vortag eingeladen hatte, wusste ich gleich, dass ich dieses Ereignis nicht verpassen durfte. Natürlich geht ein ganzer Vormittag drauf, denn anstatt um 10 Uhr beginnt der Festakt erst um 11:30 Uhr. Und das Essen danach ist eine weitere Pflichtübung.

Mich interessiert weniger die leuchtende Glühbirne in sechs Meter Höhe, als vielmehr die Riege der Electro Sur-Direktoren. Fast alle sind sie da, auch der Generaldirektor aus Cusco. Und mit dem Oberchef stehe ich seit einigen Monaten in einer wichtigen Angelegenheit in Verbindung. Also klatschen wir gemeinsam Beifall für die tiefsinnigen Reden und verspachteln mit Genuß ein Hähnchen.

Bürokratische Abläufe in Peru sind so zäh und undurchsichtig, dass man tagtäglich schier verzweifeln möchte. Die Inkompetenz einiger Funktionsträger spottet jeglicher Beschreibung. Anträge ziehen sich gerne über Jahre hin. Ein Stempel, eine Unterschrift oder ein Datum fehlt immer. Für eine Garantieerklärung unserer Bank in Abancay – in Europa ein Vorgang von vielleicht 30 Minuten – waren wir am letzten Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und am gestrigen Montag über 20 Stunden in der Bank präsent. Man könnte darüber je nach Typ entweder lachen oder weinen. Hätten wir den neuen Chef der Bank aber vor einem halben Jahr zum Abendessen eingeladen, hätte sich dieser Hürdenlauf vielleicht auf zwei Tage reduzieren lassen. Ohne ein persönliches Verhältnis zum Entscheidungsträger bleibt das Engagement seiner Mitarbeiter auf ein Minimum begrenzt.

Deshalb stehe ich unter einem Lichtmast und klatsche so laut, als habe Thomas Alva Edison soeben die Glühlampe bahnbrechend revolutioniert. Und bei meinem nächsten Besuch bei der Elektrizitätsgesellschaft wird mich die Chefsekretärin höchstwahrscheinlich gleich zum Chef durchwinken. Und dann kommen wir vielleicht beim Thema „Strom für Diospi Suyana“ um Quantensprünge voran. /KDJ

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