Nero: “Sie singen wieder!”

Das Kolosseum ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Kaiser Nero und seine Gemahlin haben in der Ehrenloge ihre weichen Polster eingenommen. Das Spektakel kann beginnen.

Etwa 100 Menschen stehen in der Mitte der Arena. Sie wirken hilflos, vielleicht sogar ängstlich. Einige Eltern halten ihre Kinder fest an sich gedrückt. Die Augen der Volksmassen auf den Tribünen wandern nun zu den schweren Eisengittern an der Stirnseite des Stadions, die in diesem Moment geöffnet werden. Aus unterirdischen Käfigen springen die ersten Löwen ins Freie. Ein Raunen geht durch die Menge. Es ist offensichtlich, dass die Gaffer das Blutbad kaum erwarten können.

Die Männer, Frauen und Kinder im Zentrum des Geschehens fassen sich plötzlich an den Händen und fangen an zu singen. Erst zaghaft, doch dann mit voller Hingabe. Ihr Lied dringt selbst zu den obersten Rängen des Kolosseums hinauf. Viele der Zuschauer sind betroffen. Das haben sie nicht erwartet. Auch Kaiser Nero wirkt etwas irritiert. "Sie singen schon wieder", bemerkt er ungehalten zu seiner Gattin.

Das Gemetzel bleibt nicht aus. Die Löwen sind hungrig und sie wollen ihren Hunger stillen. Doch die Opfer singen so lange sie können. Als der letzte stirbt, verstummt das Lied.

Die Aussage Neros aus dem Mund von Peter Ustinov im Film Quo Vadis beschreibt ein Phänomen, das auf allen Erdteilen und durch alle Jahrhunderte den Glauben der Christen begleitet. Alte und Junge, Gebildete und Einfältige sangen und singen zur Ehre Jesu Christi. Ihre Stimme erklangen in den Konzentrationslagern der Nazis und in den russischen Gulags Sibiriens. Christen folgen dabei einem inneren Antrieb. Sie können gar nicht anders als für den zu singen, der an einem Kreuz für sie starb. Am Hospital Diospi Suyana ist es auch so. An jedem Morgen erklingen drei wunderschöne Lieder auf Spanisch oder Quechua durch das Spital. Nero würde sich sicherlich wieder ärgern. /KDJ

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