Melanie Friesen

 

War es ihr Mut, der Glaube oder Anita?

DS: Melanie, seit eineinhalb Jahren lebst Du schon in Peru und arbeitest in der Röntgenabteilung des Hospitals Diospi Suyana. Wo stand eigentlich Deine Wiege?

MF: Ich kam in Bad Oeynhausen zur Welt als fünftes von neun Kindern. Meine Eltern waren drei Jahre zuvor aus Kasachstan nach Deutschland übergesiedelt.

DS: Du bist eine Mitarbeiterin voller Leidenschaft. War dieser Beruf Dein Kindheitstraum?

MF: Ursprünglich liebäugelte ich mit einer Karriere als Krankenschwester. Aber als 14-jährige durfte ich im Spital ein Praktikum machen und ich merkte gleich, dass das schwere Heben mir nicht bekommt. Ein Jahr später bei einer Kanufahrt riet mir eine gewisse Anita Dürksen, ich solle doch die Laufbahn einer Röntgenassistentin ins Auge fassen. Das habe ich dann auch gemacht. Als ich 2013 meine Ausbildung abgeschlossen hatte, fing ich am Herz und Diabeteszentrum in Bad Oeynhausen an zu arbeiten.

DS: Hat Dir Dein Beruf Spaß gemacht?

MF: Und wie. Ich hätte dort mein ganzes Berufsleben verbringen können.

DS: Trotzdem bist Du jetzt in den Anden, Perus. Wie kam das?

MF: Irgendwann während meiner Ausbildung habe ich gebetet: „Gott, ich möchte drei Jahre für Dich investieren!“

DS: Hört sich sehr untypisch an. Normalerweise beten die Leute doch: „Gott, gib mir mehr Geld, damit ich einen zweiten Urlaub einlegen kann!“ So zu beten, erscheint für die meisten Menschen völlig abwegig.

MF: Jesus bedeutet mir alles und dieses Gebet entsprach einer tiefen Dankbarkeit ihm gegenüber, der mir das Leben geschenkt hat. Und das wollte ich zu seiner Ehre einsetzen. Zu dem Zeitpunkt war mir aber noch nicht bewusst, wie ernst Gott mein Gebet nehmen würde und was es einmal bedeuten würde.

DS: Wieso hat es dann noch so lange gedauert bis Du Dich bei Diospi Suyana beworben hast?

MF: Ich habe viel über einen Einsatz in Übersee nachgegrübelt, aber ehrlich gesagt, traute ich mir so ein Unternehmen nicht so recht zu. 2014 besuchte ich mit einer Reisegruppe soziale Projekte in Äthiopien, die von Missionaren geleitet wurden. Während dieser Tour durch eines der ärmsten Länder Afrikas habe ich mich gefragt: „Ist das mein Platz?“

Melanie Friesen ganz in ihrem Element.

Ein Jahr später im Juli 2015 engagierte ich mich mit einigen jungen Leuten bei den Bauarbeiten eines Kindercamps im Regenwald Boliviens. Im Handgepäck hatte ich das Buch „Ich habe Gott gesehen“ mitgenommen!“

DS: Hat Dir das Buch gefallen?

MF: Ich fand es total inspirierend. Es hat mich gewissermaßen auf ein Gespräch im August des gleichen Jahres vorbereitet.

DS: Ein Gespräch mit einem Pfarrer?

MF: Nein, Anita Dürksen berichtete mir von einem merkwürdigen Anruf. Dr. John hätte sie etwa zehn Tage zuvor aus Peru angerufen und sie gefragt, ob sie nicht am Hospital Diospi Suyana im Röntgen arbeiten wolle.

DS: Woher kannte Dr. John eigentlich Deine Freundin?

MF: Ihr Bruder Harry Dürksen leistete am Missionsspital einen zweijährigen Einsatz in der Krankenpflege und er hatte dem Leiter von seiner Schwester erzählt.

DS: Bei diesem John scheint die Hemmschwelle für Telefongespräche recht niedrig zu liegen. Aber wie kommt es, dass nicht Anita Dürksen, sondern Du in Peru gelandet bist?

MF: Ja das war so. Anita fühlte sich einerseits durch diesen überraschenden Anruf herausgefordert, aber anderseits war sie völlig unsicher. Deshalb betete sie: „Gott, wenn ich nicht nach Südamerika gehen sollte, schicke bitte jemand anderen!“

DS: Deine außergewöhnliche Freundin ist wirklich lustig. Und wie hast Du Dich entschieden?

MF: Es war eine seltsame Situation. Gerade hatte ich das Buch über Diospi Suyana gelesen und schon ermuntert mich jemand nach Peru auszuwandern. Mir ging es eigentlich wie Anita, ich blieb unschlüssig.

DS: Im Englischen gibt es ein Sprichwort: „Ich war immer ein unentschlossener Mensch, aber jetzt bin ich mir dessen nicht mehr so sicher!“ (I used to be indecisive, but now I am not so sure). Würdest Du Dich so beschreiben?

MF: Nein, eigentlich nicht. Ich brauchte mehr Zeit, denn natürlich ist so eine Entscheidung schwerwiegend. Irgendwann im April 2016 rief mich Anita an…

DS: …die gleiche Anita, die ständig durch Dein Leben zu schweben scheint?

MF: Ja genau. Sie wollte wissen, ob ich mich zu einer Entscheidung durchgerungen hätte. Und dann sagte sie, der Doktor John käme zu einem Vortrag nach Espelkamp. Ich sollte die Präsentation mal besuchen.

DS: Und dieser John hat Dich dann wohl sofort angeheuert, wie ein Kapitän die Leichtmatrosen in der Hafenkneipe.

MF: Nein, das hat er nicht. Er sagte vielmehr, ich solle beten und weiter nachdenken.

DS: Aber dann hast Du Dich doch durchgerungen. Bist Du freiwillig abgesprungen oder hat Dir jemand von hinten einen Schubs verpasst?

MF: Es passierte nach Mitternacht am 17. August 2017. Ich hatte Nachtdienst und total viel zu tun. Ich meine, es war kurz vor eins in meinem Dienstzimmer. Ich betete: „Gott, wenn Du willst, dass ich nach Peru gehe, dann gehe ich!“ Aber sofort habe ich auch alle Gründe angeführt, die meiner Meinung nach dagegen sprachen.

DS: Und die wären?

MF: Ich hatte noch keine CT-Erfahrung und Spanisch konnte ich auch nicht sprechen. Außerdem gab es in meiner Familie einige Dinge, bei denen ich mich sehr gefordert sah.

DS: Man kann Dir nicht nachsagen, dass Du Dich Hals über Kopf in jedes Abenteuer stürzt. Du hast Dir jeden Schritt wohl überlegt. Nicht wahr?

MF: Nach jenem Gebet auf dem Bett in einem kargen Klinikzimmer ging es dann aber zügig voran. Im Oktober 2017 nahm ich am Zehnjahresfest von Diospi Suyana teil. Im März 2018 schickte ich meine Bewerbung an Diospi Suyana und am 3. Januar 2019 reiste ich aus.

DS: Hat es sich rückblickend gelohnt?

MF: Unbedingt. Ich habe viel gelernt, zum Beispiel, dass Gott einen gut vorbereitet und ich mich zu 100% in seine Arme fallen lassen darf. Er ist treu und hält, was er verspricht.

DS: Vom Typ bist Du kein Draufgänger. Was hat Dir eigentlich den Mut gegeben, etwas zu wagen, was Millionen anderer nur nach drei Glas Bier in Erwägung ziehen würden?

MF: Es gibt ein Lied von Birgit Dörnen, das heißt: “Mit weitem Horizont”. Obwohl ich voller Fragen und Zweifel steckte, hat Gott meine eigenen Grenzen gesprengt.

DS: Wenn das so ist, dann sollten wir unseren Besuchern der Webseite die Gelegenheit geben, das Lied selbst zu hören. Melanie, vielen Dank für diese tolle Geschichte. Und schön, dass Du bei uns bist!

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