“Komm heute Abend um 19:00 Uhr!”

41 Jahre später

Ein Vortrag nur 15 km von meiner Heimatstadt Wiesbaden entfernt. Vier telefonische Einladungen an Klassenkameradinnen aus Oberstufenzeiten. “Heute Abend 19:00 Uhr in der Kirche in Wallau!” Drei sind zur Stelle. Die vierte steckt leider in einem Zoom-Meeting, aber sie schickt ihren Mann. Das zählt auch.

Das ehrwürdige Gebäude hat sich längst wieder geleert und die Besucher sind mit vielen Büchern versorgt auf dem Weg nach Hause. Da stehen wir noch zusammen. “Es ist verdamp lang her”, würde die Gruppe Bap jetzt anstimmen. Damals hinter der Schulbank als das Leben voller Chancen noch vor uns stand. Alles erschien uns möglich. Wir waren gesund und voller Energien.  Die Welt lag uns zu Füßen.

Jetzt kann jeder von uns sein eigenes Buch schreiben. Über Höhen und Tiefen. Irgendwie sind wir alle vom Leben gezeichnet. Und wir haben gelernt mit Prognosen bezüglich der Zukunft vorsichtig zu sein.

“Als Du mich anriefst”, sagt Bärbel, “war ich gerade im Auto unterwegs um zehn Bäume im Lebenswäldchen Bärenherz zu pflanzen!” Die Kinderhospiz in Wiesbaden kümmert sich um sterbende Kinder. Diese schönen Pflanzen auf dem Kellerkopf vor der Stadt werden die Eltern hoffentlich trösten.

Mir kommt sofort eines meiner letzten Bilder des Vortrags in den Sinn. Das leere Grab Christi. Meine Hoffnung auf ein ewiges Leben. Unsere Geburt und unser Tod bilden große Klammern zwischen denen sich unser Dasein abspielt. Seit unserem Abitur sind über vier Jahrzehnte verstrichen. Und was kommt jetzt?

Der Pfarrer bringt mich noch zum Auto. Wir beide freuen uns, dass trotz Corona so viele Zuhörer in der alten Kirche saßen. Unter ihnen auch die Konfirmanden.  Sicherlich denken die Jugendlichen, dass ein langes Leben vor ihnen liegt. Wir fünf am Ausgang wissen allerdings, wie die Jahre nur so verflogen sind. Und dann?

Meine Gedanken eilen zurück zu einer Kirchengemeinde in Cardiff. 1988 arbeiteten Tina und ich an der Universitätsklinik von Wales. Am Sonntag endete der Gottesdienst mit den Worten des Pfarrers: “God be with you!” (Gott sei mit Dir). Und wir alle antworteten im Chor: “And also with you!” (Auch mit Dir). Etwas besseres als das können wir uns gegenseitig nicht wünschen. /KDJ

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