Und die hohe Politik
Anfang Juni auf der langen Autofahrt von Curahuasi nach Lima. Es stehen mehrere Begegnungen mit Spitzenpolitikern an, aber unterwegs stelle ich fest, dass ich meinen Anzug zu Hause vergessen habe. Kein Anzug im Gepäck. Aber Doris Manco, die Leiterin unseres Medienzentrum, organisiert aus der Ferne für mich die passende Garderobe.
22. Juli. Ich halte mich wieder in Lima auf um Behördengänge zu erledigen. Ein Anruf am Morgen: “Dr. John, morgen um 17 Uhr wird der Staatspräsident sie empfangen!” Wow, was für eine Überraschung. Einen Anzug habe ich nicht dabei, aber diesmal sind die Geschäfte offen und ich habe genug Zeit mir etwas Anständiges zu besorgen. Ein schöner Anzug ist in zwei Stunden gekauft und sogar umgeschneidert. Als ich am Nachmittag gebügelt und geschniegelt aus dem Gästehaus treten will, klingelt mein Handy: “Tut uns leid”, sagt die Sekretärin des Staatschefs, “es ist leider etwas dazwischen gekommen!”
3. August. Am späten Nachmittag informiert mich der Palast, dass die aufgeschobene Audienz beim Präsidenten am Folgetag stattfinden wird. Es gibt wegen der Pandemie wieder mal keine Inlandsflüge. Also bleibt nur die Reise auf dem Landweg. Cesar Mosquera und ich brechen um kurz nach 20 Uhr auf. Es wird eine abenteuerliche Tour durch die Nacht. Diesmal habe ich vorsorglich zwei Anzüge eingepackt. Vielleicht ergibt sich ja noch ein Treffen bei der Gesundheitsministerin. Als wir am Morgen im Auto das Radio anschalten, kriegen wir gerade eine schicksalsschwere Abstimmung im Parlament mit. Nach einer Marathonaussprache im Kongress von über 20 Stunden, verliert der Premierminister eine Vertrauensabstimmung. Er und alle Minister müssen zurücktreten. Gegen zehn Uhr tragen wir müde unsere Taschen ins Gästehaus. In dieser politischen Krise wird das Gespräch mit dem obersten Würdenträger der Republik mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgesagt werden. Hin und zurück 28 Stunden. Meine beiden Anzüge hängen sauber im Schrank. Unbenutzt. Aber es gibt wirklich Schlimmeres. /KDJ