Katharina Klassen: “Muss ich sterben?”

Von der onkologischen Kinderstation 2007 bis zur Covid-Intensiv 2021

22. Oktober 2007. Nach einer Bauzeit von 28 Monaten öffnet das Missionsspital Diospi Suyana seine Tore. 10.000 km entfernt kämpft Katharina Klassen auf der onkologischen Kinderstation der Universitätsklinik Münster gegen den Tod. Die Zehnjährige hat unklare Befunde im Schädel, in der Leber und in der Lunge. Es besteht der hochgradige Verdacht auf eine Krebserkrankung und das Ende ist äußerst ungewiss. Katharina sieht das Leiden der anderen Kinder. Sie fühlt sich unendlich schwach. Die Mutter sitzt an ihrem Bett und weint.  “Muss ich jetzt sterben?” – Diese Frage quält das Mädchen über Wochen. Während in Curahuasi, Peru die ersten fünftausend Patienten behandelt werden, verbringt das Mädchen den Herbst 2007 in einer deutschen Spezialklinik. Monate, die an Dramatik, Sorge und Anspannung kaum zu überbieten sind. Doch dann die Wende. Die Mediziner finden den Grund der Erkrankung. Katharina ist von Bartonellen befallen, die von Tieren auf den Menschen übertragen werden und eine Vielzahl von verschiedenen Symptomen hervorrufen können. Benannt sind sie nach dem peruanischen Mikrobiologen Alberto Leonardo Barton (1870-1950).

Eine Operation und eine konsequente antibiotische Behandlung führen bei dem Mädchen schließlich zu einer Besserung der Beschwerden. “Wenn ich einmal groß bin, dann will ich Ärztin werden!” Katharina wird diesen festen Entschluss nie mehr vergessen!” Neun Jahre später beginnt sie an der Universität von Hannover das Studium der Humanmedizin.

2016. Ein Bekannter schenkt der jungen Studentin das Buch “Ich habe Gott gesehen”. Es dauert nicht lange und sie hat auch den Folgeband “Gott hat uns gesehen” verschlungen. “Das ist ja einfach unglaublich”, denkt die angehende Ärztin, “ich müsste mir Diospi Suyana einmal mit eigenen Augen anschauen!”

2017. Nach einer Fahrzeit von einer Stunde kommt sie mit einer guten Freundin in Oldenburg an. In einer Kirchengemeinde berichtet Dr. John von Diospi Suyana. Der Arzt aus Peru erzählt nicht, sondern er sprudelt. Es ist gerade so, als ob er den Vortrag zum ersten Mal halten würde und gar nicht wüsste, wohin mit seiner ganzen Begeisterung. Die Veranstaltung ist zu Ende. Kurz vor Abreise des Missionsarztes findet noch ein kurzes Gespräch statt. “Unter welchen Bedingungen könnte ich bei Diospi Suyana als Famulantin mitarbeiten?” – Dr. John bleibt kurz und knapp. “Sie benötigen ein spanisches Sprachniveau von B1, sonst geht leider gar nichts!” – Im Oktober 2019 belegt Katharina einen Sprachkurs, der sie parallel zum Medizinstudium innerhalb von zwei Jahren von Null auf B1 hochkatapultiert.

Am 14. Oktober 2021 will sie nach Peru fliegen, um für sechs Wochen am Hospital Diospi Suyana zu famulieren. Doch noch steht ihr ein schwerer Gang bevor. In der ersten Oktoberwoche steht sie am Intensivbett ihrer Oma. Die leblose Gestalt auf dem weißen Laken bedeutet ihr unendlich viel. Die 82-jährige hängt an Schläuchen und Infusionen. Die Monitore an der Wand versprechen nichts Gutes. Kein Zweifel und keine Hoffnung. Oma wird die Covid-Erkrankung nicht überleben. Am 9. Oktober zeigt das EKG eine Nulllinie. Eine jahrzehntelange Ehe geht je zu Ende. Opa, ebenfalls an Covid infiziert, überwindet seine Lungenentzündung. Er verlässt die Klinik als Witwer.

Mittwochmorgen, der 27. Oktober in einem Hochtal der Anden auf 2650 m Höhe. Mit Dr. Martina John, der Gründerin des Missionsspitals, betritt Katharina die Covid-Intensivstation. Der Mann im Bett schwebt zwischen Leben und Tod. Katharinas Gedanken eilen dreieinhalb Wochen zurück. “Oma hat es nicht geschafft”, denkt sie während ihr die Tränen in die Augen schießen.

Spät am Abend ein Anruf aus Lima. “Katharina, hat das Studium Deinen Glauben erschüttert?” – “Nein, überhaupt nicht”, sagt sie im Brustton der Überzeugung. “Ich habe gelernt wie komplex der menschliche Körper beschaffen ist. Ohne die kreative Kraft Gottes, wäre niemand von uns hier!” – Und dann schiebt sie zwei Sätze nach, die mitten aus dem Herzen kommen. “Menschen, die auf Gott vertrauen, sterben anders. Bei Oma habe ich das gesehen!”

“Katharina, eine letzte Frage. Glaubst Du an ein Leben nach dem Tod?” – Die Studentin überlegt nicht lange. “Absolut. Und vor dem Tod ist Gott die Orientierung für mein Leben. Er gibt mir die Richtung vor und macht mich fest!”

Katharina Klassen wird im Februar eine weitere Famulatur an einem Missionsspital in Indien absolvieren. Sie spielt mit dem Gedanken zukünftig als Missionschirurgin zu arbeiten. Wer will an der Ernsthaftigkeit Katharinas zweifeln? Die rote Linie ist unverkennbar. Von der onkologischen Kinderstation in Münster bis hin zur Intensivstation vom Hospital Diospi Suyana 14 Jahre später. Gott selbst hat sie in ihrem Leben gezogen. /KDJ (Bildlegende: Famulatin Katharina Klassen neben einer Quechua-Indianerin gestern Morgen in der Ambulanz)

Wenn Sie sich nach der Hoffnung sehnen, die Katharina antreibt, dann hören Sie das folgende Lied.

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