In der Kathedrale von Curahuasi

Kathedrale als Zeichnung slider
Ein erhabener Ort

Ich bin etwas spät dran, als ich die kleine Straße nach oben laufe. Obwohl ich noch einen ganzen Häuserblock vor mir habe, kann ich die Lieder schon hören. Sie kommen direkt aus der Kathedrale. Für manche mag es überraschend klingen, dass die Kleinstadt Curahuasi über eine eigene Kathedrale verfügt. Nun streng genommen erfüllt das Gotteshaus nicht alle Kriterien für diese Auszeichnung. Der Bischof fehlt und die Kirchenkuppel besteht aus einem grünen Tuch, das die Sonne in den letzten zwei Jahren etwas verschliessen hat. Wie in den meisten Kirchen ist es etwas kühl. Ich ziehe den Reißverschluss meiner gefütterten Jacke nach oben. Es sind weniger die kalten Steinwände, die mich frösteln lassen, als vielmehr der Wind, der über den Platz streicht.

Vorne an einer Lehmwand lese ich den Namen “Jesus”. Passend wie ich meine, sollte es sich doch im Gottesdienst einer jeden christlichen Kirche um diesen Mann drehen, der von sich sagte, er sei der Weg, die Wahrheit und das Leben. Auf den Plastikstühlen und Holzbänken sitzen um die vierzig Besucher, Peruaner aus dem Ort und ausländische Mitarbeiter von Diospi Suyana.

Kirche Agustin slider
In der Kathedrale von Curahuasi

Die musikalische Untermalung ist vorzüglich. Heute drückt John Lentink in die Tasten des E-Pianos. Dann bitten einige um Fürbitte für sich selbst oder ihre Familienangehörige. Schließlich steht einer am Mikrophon und erzählt, wie Gott gehandelt habe – nicht nur vor tausenden von Jahren, sondern in der letzten Woche. Ich kann den Verdacht nicht loswerden, dass Gott tatsächlich gegenwärtig ist und diese grüne Kathedrale edelt. Wenn Gott an dieser Stelle weilt, muss der Boden heiliges Land sein.

Wie wird es gerade in der Kathedrale von Florenz zugehen oder im Kölner Dom? Sicherlich ist Gott auch dort vor Ort. Vorrausgesetzt es haben sich Menschen versammelt, die ihn suchen, ehren und anbeten. Hat Jesus nicht gesagt, er sei in der Mitte von Zweien oder Dreien, die sich in seinem Namen treffen?

Der Boden der Kathedrale zu Curahuasi ist weich, das hat Gras wohl so an sich. Noch wurde kein teurer Marmor verlegt. Mein Blick schweift durch die Reihen. Wo haben die Künstler eigentlich die Holzschnitzereien hinterlassen? Da werden meine Gedanken durch einen Vogel unterbrochen, der vorne im Baum so laut zwitschert, dass John Lentink bei der nächsten Liedansage auf ihn Bezug nimmt.

Nach der Predigt bauen einige Fleißige die Kathedrale wieder ab. Jetzt ist der Augenblick gekommen, wo alle Teilnehmer den Geist Gottes in ihre Häuser tragen, an den Arbeitsplatz, in die Schule und in das Krankenhaus. Noch einmal blicke ich mich um und schaue auf das Poster an der Stirnseite: Jesus! Hatte nicht der Prophet Jesaja von ihm verkündet, dass er unsere Schmerzen tragen würde und wir durch seine Wunden Heilung finden könnten? Fürwahr, diese Kathedrale in Curahuasi wurde nicht umsonst errichtet. /KDJ

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