Engel in der Nacht

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Vor der Felswand in Not

Ein erneuter vergeblicher Versuch. Bei der dritten Reise nach Andahuaylas waren wir mit einer Familie handelseinig geworden. Dem Kauf eines Grundstücks und dem Bau eines Antennensturms sollte also nichts mehr im Wege stehen. Doch während des viertes Besuchs gestern stellte sich beim Notar heraus, dass ein Dokument fehlte. Neun Stunden durch die Berge umsonst. Oder vielleicht doch nicht?

Auf den Straßen in den Anden liegen viele Steine, die der Regen in der Nacht herunterspült. Im Kegel der Scheinwerfer sehe ich rechts vor mir einen Felsbrocken liegen. Ich möchte den Wagen noch herumreißen, doch dann kommt mir in diesem Augenblick ein Lastwagen entgegen. Im Bruchteil einer Sekunde muss ich mich entscheiden. Stein oder 10 Tonner? Ich halte das Lenkrad krampfhaft geradeaus.

Ein Schlag und es poltert möchtig unter dem Auto. Dann beginnt der Wagen zu schlingern. Bauingenieur Udo Klemenz und Doris Manco, Leiterin unser Medienabteilung, sind so wach wie noch nie in ihrem Leben. Wir steigen in der Dunkelheit aus und leuchten mit unseren Handys. Der rechte Hinterreifen hat das Zeitliche gesegnet.

Es beginn das Drama des Radwechselns. Der Reservereifen unter dem Auto lässt sich nur schwer lösen. Der Wagenheber bleibt zu niedrig. Udo Klemenz und ich liegen auf dem Asphalt und beratschlagen. Da hält ein Pickup keine 20 Meter vor uns. Mehrere Gestalten steigen aus. In der Finsternis können wir nur Umrisse erkennen. Nun blitzen im Licht meines Autos Gewehre auf. Die Männer sind schwer bewaffnet. Was wird uns jetzt erwarten? Überfälle in der Nacht sind auf den Fernstraßen Perus keine Seltenheit. Die Unbekannten kommen näher. Es handelt sich um Uniformierte. Wir atmen auf.

Ein Wortwechsel folgt. „Wir gehören zum Hospital Diospi Suyana und hatten eben ein kleines Maleur mit einem Stein!“ – „Guten Abend Dr. Klaus, ich kenne das Krankenhaus persönlich“, sagt der Chef der Truppe, „lassen Sie mich mal ran, wie erledigen das für sie!“

So einfach wird die Hilfe nicht. Auch der Muskelmann kann das Rad kaum von der Achse kriegen. Mit einem großen Hammer geht es schließlich. 20 Minuten später sind wir startklar. „Darf ich Ihnen ein kleines Dankeschön für eine Flasche Cola geben?“, ich zücke 60 Soles (16 Euro) aus meiner Portemonnaie. „Nein auf keinen Fall“, das haben wir gerne für sie gemacht“, tönt es entrüstet zurück. „Schreiben sie lieber dem General der Polizei eine Dankeskarte!“

Jetzt ist das offizielle Fotoshooting angesagt. Alle stehen um halb Elf in der Nacht vor dem Auto. Die Felswand als Hintergrundkulisse. Ich drücke auf den Auslöser.

Als wir wieder den Motor anlassen, sind Udo, Doris und ich einer Meinung. Die Polizei hat Gott uns im richtigen Augenblick geschickt. Sie waren Engel in der Nacht. Auf eine Neues. Nur noch 100 km. Vielleicht sind wir vor 1 Uhr in der Frühe zu Hause. /KDJ

Nachts vor der Felswand slider
Drei gestrandete Diospi-Suyana-Mitarbeiter und fünf Engel in grün.
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