Eine stürmische Nacht am Bodensee

Wurde Helen Högn vom Winde verweht?

Nicht in ihren wildesten Fantasien hätte sich Helen vor vier Jahren vorstellen können, wo sie einmal ihren 23. Geburtstag verbringen würde. In den Anden Südperus. Heute am 18. März feiert sie bereits ihr drittes Jahresfest fern der deutschen Heimat.

Sicherlich spielte das Vorbild ihrer Eltern eine wichtige Rolle. Deren gelebter Glaube erschöpfte sich nicht in Traditionen und Gewohnheiten, sondern er äußerte sich ganz praktisch im Alltag. Für Helen gaben sie ein gutes Beispiel ab, das ihr Denken entscheidend prägen sollte.

Ihre Mutter steckte ihr irgendwann im Frühjahr 2017 einen Film über “das Krankenhaus des Glaubens” zu. Die DVD handelte von einem Spital einen Steinwurf vom weltberühmten Machu Picchu entfernt. Interessant genug, aber mehr noch, dort arbeiteten Männer und Frauen mit dem Anspruch den Nachfahren der Inkas zu helfen. Ohne Gewinnabsichten und ohne Hintergedanken. Die Doku von rund 60 Minuten weckte in der Physiotherapeutin die Neugier nach mehr.

Die Gelegenheit dazu sollte sich am 12. November 2017 bieten. In der modernen Kulturhalle von Friedrichshafen würde ein Deutsch-Peruaner detaillierte Informationen präsentieren. Draußen peitschte der Wind über den Bodensee und der Regen prasselte ungemütlich aus den dunklen Wolken. Bei so einem Wetter schickt man keinen Hund vor die Tür. Aber Helen ließ sich nicht beirren und saß am Abend mit 150 weiteren Zuhörern vor einer großen Leinwand.

Nach 200 Bildern war Helen tief berührt.  Wohl zum ersten Mal begann sie mit der Option „Diospi Suyana“ ernsthaft zu liebäugeln.

„Kann man bei Ihnen auch für ein Jahr mitarbeiten?“, fragte Helen nachdenklich.  – Der Missionsarzt schüttelte den Kopf. „Nein, es müssten schon drei Jahre sein, denn sonst lohnt sich die ganze Vorbereitung kaum!“

Aus der Traum? Nein, nicht ganz. An jenem schicksalshaften Abend hatte Helen nämlich zwei Bücher erworben. Auf 500 Seiten sah die junge Leserin die wundersame Hand Gottes förmlich sichtbar werden. Das Ergebnis war kein Fantasieprodukt aus dem Märchenbuch, sondern eine medizinische Einrichtung mit feinsten Geräten, Sachverstand und personeller Schlagkraft.

Vier weitere Monate verstrichen. Helen fühlte sich hin und hergerissen. Sollte sie sich für drei lange Jahre bewerben oder lieber nach einem anderen Projekt Ausschau halten? Zwiespältige Gefühle plagten sie und oft schien es, als ob sich ihre Gedanken im Kreis drehten. Schließlich sprang sie über ihren eigenen Schatten und schickte ihre Unterlagen an das Postfach des deutschen Vereins. Und zu ihrer eigenen Überraschung wurde sie prompt angeheuert.

Helen spricht ehrlich über ihre Motive. “Zum einem wollte ich Gott einen Teil meiner Lebenszeit zur Verfügung stellen”, sagt sie, “aber natürlich hatte mich auch die Abenteuerlust gepackt!”

Seit ihrem Arbeitsbeginn hat Helen weit über 2.000 Patienten betreut. Mit Liebe, Hingabe und Sachverstand. Und rückblickend „weiß“ Helen, dass sie den richtigen Weg gegangen ist. Zu den unzähligen menschlichen Begegnungen zählt eine unvergessliche Episode an einem schönen Morgen. Ein kleines Mädchen, so um die fünf Jahre alt, erblickte Helen auf dem Krankenhausgelände. Völlig erstaunt rief sie den anderen Kindern auf dem Spielplatz zu: „Eine Gringa – eine Weiße“, der Tonfall erinnerte an einen Ausruf im Zoo: „Hey seht mal, da steht ein Elefant!“

Sind Missionare, die auf anderen Kontinenten ihren Beruf als Berufung leben, also Exoten? In gewisser Weise schon. Sie haben einerseits Seltenheitswert und andererseits gehen sie Risiken ein, die andere lieber scheuen. Dabei fühlen sie sich nicht vom Winde verweht, sondern von Gott geführt. Sie kennen einen inneren Kompass, denn sie sind unterwegs im Auftrag des Herrn.

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag liebe Helen. Schön, dass Du da bist. /KDJ

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