Die Hintergründe, die niemand kennt
„Wir müssen das Festival abblasen. Die Zeit reicht für die Vorbereitungen einfach nicht mehr aus!“ Die Worte meiner Frau Tina waren die Worte der Weisheit. Wir befanden uns schon mitten im Juli 2022 und außer einer großartigen Vision und einigen Ideen hatten wir nichts vorzuweisen.
Es war eine Sache von Stunden und ich saß am Schreibtisch. Nach einem Projektentwurf „Krankenhaus“ im Jahr 2002 und einem Projektentwurf „Schule “ im Jahr 2010 ging es wieder um ein ganz großes Ding. Wir träumten von einem Jugendtreffen über fünf Tage und Tausenden Teilnehmern. Unterkunft, Verpflegung und Programm alles inbegriffen. Etwas in dieser Größenordnung hatte es in Peru noch nie gegeben und da wir den Umfang dieses Mammutvorhabens gar nicht einschätzen konnten, tippte ich gelassen große Sätze in meinen Laptop. Hätten wir gewusst, was uns an Hürden in den nächsten Monaten erwarten würde, wir wären wohl die ersten gewesen, alle Pläne ganz schnell in der Schublade verschwinden zu lassen.
Tina lag neben mir im Bett und las die 15 Seiten, die ich gewissermaßen mit heißer Nadel gestrickt hatte. Während sie sich schweigend durch das Konzept arbeitete, versuchte ich ihren Gesichtsausdruck zu studieren. Aber sie zeigte keine Regung. Hop oder top? Vierzig Jahre zuvor hatte Tina in Taizé an einem Schweigeseminar mitgemacht. An die Regeln von damals schien sie sich zu halten und spannte mich damit mächtig auf die Folter.
Endlich schob sie die Blätter auf einen Stapel und nickte: „Ja, so könnte es funktionieren!“ Das war alles, was sie sagte, aber für mich mehr als ausreichend. Mit Gottes Hilfe würden wir in politisch unsicheren Zeiten ein Festival planen ohne Vorlage, ohne Muster und ohne Erfolgsgarantien.
Wenn wir jetzt zurückblicken, hat Gott über einen Zeitraum von sechs Monaten alles Wichtige eingefädelt. Wie von unsichtbarer Hand wurden viele Menschen in mehreren Ländern geführt – oft ohne es zu wissen.
Noch fünf Wochen bis zum Festival. Nachts um halb drei wachte ich unruhig auf und wälzte mich auf meinem Kissen hin undher. 124 Teilnehmer hatten sich erst angemeldet und an jedem Tag kamen 3 bis 5 Anmeldungen hinzu. „Ihr seid mit Eurer Werbung zu spät dran“, sagten die einen, „die politischen Wirrungen mit 500 Verletzten und 50 Toten“ lassen so ein Event einfach nicht zu“, so die anderen.
In meiner Andacht am Morgen ging mir immer wieder das altdeutsche Wort „Zuschanden werden“ durch den Kopf. Wir gingen sehendes Auge auf eine große Blamage zu. Die Pleite schien unabwendbar. Wir hatten zu hoch gepockert und würden eine Menge verlieren. „Gott, lass uns nicht zuschanden werden!“, meine Gebete hatten etwas Stereotypisches an sich. Sie waren getrieben von meiner Angst und voller Hoffnung auf die Wunder Gottes…
26. April 2023: 3000 Menschen drängten sich in das Amphitheater. Vorne tanzten Hunderte zum Beat des Schlagzeugs. Die legendäre Gruppe Rojo aus Mexiko war vom Ereignis genauso überwältigt wie wir alle. Ein Mitarbeiter aus dem Team setzte sich in die letzte Reihe und weinte. Eventmanager David Chavez, der seit über 30 Jahren im Geschäft ist, murmelte mit feuchten Augen fast geistesabwesend vor sich hin: „So etwas kann nur Gott machen. So etwas kann nur Gott machen!“
Alle, die die fünf Tage mit uns durchschwitzten, werden jene Momente an den Abenden nie mehr vergessen. Nach besten Schätzungen lagen die Besucherzahlen bei 3000, 2500, 2500, 2500 und 3500. Das Festival hatte viele Aspekte, eines davon war das seelsorgerliche Gesprächsangebot an die Jugendlichen. Zum ersten Aufruf am Donnerstagabend strömten 360 Jungs und Mädchen nach vorne. Es fehlten Pastoren und Seelsorger an allen Ecken und Enden. Weitere 600 plus folgten den Aufrufen Nummer 2 bis 5.
„Eco en los Andes“, war mehr als ein Festival mit 11 Musikgruppen aus 9 Ländern. Es war ein einziges Wunder Gottes, das uns bis an das Ende unserer Tage an eine Wahrheit erinnern wird: „Wer auf Gott vertraut, wird nicht zuschanden werden!“ /KDJ
sdg