Die bohrende Frage: Wo ist Gott?

Über das Elend dieser Welt kann man philosophisch reden ohne auch nur das geringste Gefühl dabei zu empfinden. Leid betrifft Menschen, die wir oft nicht persönlich kennen und deren Trauer uns nicht weh tut.

Der Busunfall am Freitagnachmittag geschah quasi vor der Tür des Hospitals Diospi Suyana. Tote und Schwerverletzte waren das Ergebnis einer Kombination aus menschlichem und technischem Versagen. Einem Patienten wurde sein linker Arm im Schulterbereich durch die Wucht des Aufpralls abgerissen. Eine Mutter sah ihr anvertrautes Kind zum letzten Mal lebend als es durch den Bus flog. 

Plötzlich ist das theoretische Leid dieser Welt mitten in der Notaufnahme des Spitals. 33 wimmernde Patienten, blutverschmiert, verzweifelt und unter Schock.

Nur eine Stunde zuvor war eine Katastrophenschulung am Spital zu Ende gegangen. Also ein optimales Timing für den Einsatz der Ärzte und Krankenschwestern. Offensichtlich war es der Zeitplan Gottes.

Dabei habe ich vollstes Verständnis, wenn Atheisten jetzt müde abwinken. Wenn Gott alle Dinge in Händen hält, warum hat er den Busfahrer nicht veranlasst nur mit 40 km/h statt mit 65 km/h in die Kurve zu fahren?

Es ist sehr schwer eine passende und tröstende Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Krankheit, Schmerzen und Tod zu finden. Zwei Erklärungen kenne ich, die uns mehr oder weniger weiterhelfen können.

Auf den ersten Seiten der Bibel wird unsere Vergänglichkeit als eine Konsequenz des menschlichen Willens gesehen ohne Gott zu leben. Der Tod Christi am Kreuz und seine Auferstehung bringen uns das Ewige Leben, wenn wir uns dafür entscheiden.

Theologische Glaubensinhalte trösten uns aber nicht, es sei denn, dass wir ihre Richtigkeit gefühlsmäßig erfassen. Wir Christen glauben, dass der Heilige Geist genau das tun kann, nämlich die Transformation von einer theoretischen Erkenntnis in eine praktische Lebenserfahrung. 

Der folgende Erfahrungsbericht aus einem Konzentrationslager stammt wohl von dem Juden Elie Wiesel. – Die gesamte Lagerbesetzung muss antreten und zusehen wie ein Junge auf grausame Weise am Galgen zu Tode gequält wird. Unter den unzähligen Häftlingen steht auch Martin Buber. Und als er zum Jungen am Galgen aufblickt, der elendig verreckt, hört er hinter sich eine Stimme: "Wo ist Gott?"

Die Antwort folgt sofort: "Gott hängt am Galgen!" – Was bedeutet das?

Entweder erklärt das Leid der Welt den Glauben an Gott für völlig absurd. Gott als Konzept stirbt am Galgen. Es gibt keinen Gott, wie sonst könnte er zu unserer Verzweiflung schweigen.

Oder aber Gott hängt am Galgen und leidet mit. Wenn es uns ganz dreckig geht, ist er uns ganz nah. Wir spüren seine Gegenwart und vertrauen auf seine Liebe. Auf der anderen Seite des Todes wird er uns mit offenen Armen empfangen.

Jesus hing am Kreuz (Galgen) um uns seine bedingungslose und grenzenlose Liebe zu beweisen. Er verließ sein Grab und gab sich hunderten von Zeugen zu erkennen. – Wenn das wahr ist, dann gibt es echten Trost im Tal des Todes. Wenn das nicht wahr sein sollte, wären wir alle unserer Vergänglichkeit schicksalhaft ausgesetzt. /KDJ

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