Die Angst fährt immer mit

Nach Mitternacht in der Ambulanz durch den strömenden Regen

Der dreiwöchige Säugling japst nach Luft. Die virale Lungenentzündung bedroht sein Leben. Er muss dringend in eine Neugeborenen-Intensivstation verlegt werden. Dr. Martina John verhandelt mit den Ärzten am großen Regierungskrankenhaus in Cusco. “Wir können der Kleinen ein Bett reservieren, wenn sie das Mädchen in den nächsten Stunden bringen. Also noch in der Nacht!”

Draußen prasselt der Regen auf die Dächer. Die Berghänge sättigen sich mit Wasser und der aufgestaute Druck führt regelmäßig zu gewaltigen Erdrutschen. Erst zwei Tage zuvor entkam Familie Lentink um Haaresbreite einer Gerölllawine. “Nur” die Scheibe der Beifahrertür wurde herausgeschlagen. Glück im Unglück. Dabei wissen wir Christen, dass es Glück als Zufallsbefund nicht gibt.

Dr. Klaus John – spät am Abend aus Südperu zurückgekehrt – rät dringend von einer Reise durch die Berge ab. Immerhin dauert die Fahrt hin und zurück mindestens sechs Stunden. “Überall liegen jetzt schon Steine und Schlamm auf den Straßen”, warnt er, “wartet bis zum Morgen in der Frühe!” – Doch eine halbe Stunde später ringt sich seine Frau zu einer sofortigen Verlegung durch. “Was wäre, wenn der Junge im Morgengrauen intubiert werden müsste?”, sagt Dr. Martina John, “dann wäre die ganze Logistik der Evakuierung noch schwieriger!”

Hektische Vorbereitungen. Medikamente, Sauerstoff, Absaugung, Gerätschaften. Alles muss da sein und einwandfrei funktionieren. Die Mutter des Säuglings weint. Sie hat Angst um ihr Kind. Dr. John treibt auch die Sorge um seine Frau. Nach 10 Stunden Arbeit in der Notaufnahme des Spitals geht eine kurvenreiche Tour durch endlose Serpentinen bis an die Grenze des körperlich Erträglichen. Lange quälende Stunden durch die dunkle Ungewissheit und die Regenfluten.

Kurz vor Abfahrt verteilt eine gute Seele sechs Coca-Cola-Flaschen, zwei für jeden Erwachsenen im Team. Nur nicht einschlafen oder einnicken! Dr. Klaus John schlägt Don Donato die Hand auf die Schulter. “Wenn sie müde werden”, sagt er bestimmt, “halten sie während der Rückfahrt an und nehmen sie ein Power-Nap!”

Das flackernde Licht des Rettungswagen wird in der Ferne immer kleiner. Hoffentlich geht alles gut. Ein Stoßgebet zum Himmel. “Gott bitte bewahre diese Handvoll Menschen im Sprinter, die nun den Gewalten der Natur ausgesetzt sind!”

Die Ärztin wird unterwegs sechsmal erbrechen. Don Donato muss die Ambulanz geschickt zwischen den Steinen manöverieren. Von 2600 m Höhe führt die Bergstraße zum Apurimac-Fluss in die Tiefe. Von der Talsohle auf 1900 Metern windet sich die Panamericana dann wieder hinauf auf 3600 Metern.

Halb Sieben am Morgen. Der Säugling liegt in einem Intensivbett in Cusco . Das Expeditionsteam kommt wohlbehalten nach Curahuasi zurück. Die Sonne lacht längst vom Himmel. Von der Sorge, der Angst und dem erbarmungslosen Regen der Nacht ist keine Rede mehr. Auf dem Küchentisch wartet eine heiße Tasse Kaffee. Sie muss sieben Stunden verpassten Nachtschlaf wettmachen.

Der richtige Augenblick für ein Dankgebet.

Intensivschwester Donna hat schon unzählige Fahrten hinter sich.
Gleich werden die Türen geschlossen. Krankenschwester Nelly weiß: Es darf absolut nichts vergessen werden.
00:15 Uhr: Gleich wird Don Donato den Motor anlassen.
Am Donnerstag im Morgengrauen. Die Scheibe musste dran glauben, aber niemand der Insassen wurde verletzt. Ein Segen!
1 Antwort
  1. Karin Mehle

    Hallo, liebes Team, ich kann immer wieder nur staunen und danken, für das, was Ihr tut, auch unter schwierigsten Bedingungen. Ich war total angetan von den Büchern Dr. Johns und habe diese auch gleich weitergegeben. Zur Zeit lese ich “Angekommen”, was ich gestern erhalten habe. Da bin ich ganz beschämt. Gott segne Euch weiterhin und schenke immer wieder die Kraft für diesen aufopfernden Dienst an den Ärmsten der Armen. Ganz liebe Grüße aus Langen (bei Ffm.)
    Karin Mehle

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