Der Kampf um den Beifahrersitz und seine Folgen

Seit einem Jahr verhandele ich mit der Regierung des Bundesstaates Apurímac über die Zementierung der Zufahrtstraße zum Spital. Die Kosten würden sich auf rund 120.000 USD belaufen.

Nach gut 10 Besuchen bei der Regierung gab es schließlich vor einer Woche eine mündliche Zusage seitens des 2. Mannes. “In zwei bis drei Wochen fangen wir an. Das Geld haben wir auch schon bewilligt!”

Samstagmorgen 7 Uhr. Der erste Flug bringt mich von Lima zurück nach Cusco. Zwei aufregende Tage liegen hinter mir und wie immer bin ich von der Reise in der Nacht ziemlich müde.

In Arcopata (ein Stadtteil von Cusco) fahren die Taxis nach Curahuasi ab. Ich bin der erste Fahrgast und werde etwas ungehalten als ein zweiter Passagier sich auf den Beifahrersitz setzen möchte. Wer zuerst kommt, malt zuerst.

Der Mann ist um die 50 Jahre alt und brummelt vor sich hin. Einen Moment später stellt sich heraus, dass er der Finanzchef der Regionalregierung ist und jedes Jahr ein Budget von 450 Millionen Soles verwaltet. Alle Vorgänge und Projekte gehen über seinen Tisch. Er kann seinen Daumen nach oben oder nach unten halten.

“Sie zementieren ja demnächst unsere Auffahrt zum Hospital Diospi Suyana in Curahuasi, nicht wahr”, frage ich zuversichtlich. Der Finanzchef ist da ganz anderer Meinung. “Das Projekt wurde vor einem Jahr gar nicht in das Budget 2008 aufgenommen. Außerdem läuft ohne die Zustimmung des Finanzministeriums in Lima gar nichts!”

Meine Müdigkeit ist sofort verflogen als ich merke, dass die Schlüsselfigur der Regionalregierung vor mir steht.

Gut zwei Stunden fahren wir nun durch die Berge. Aus dem Radio dröhnt laute Quechua-Musik und keiner von uns sagt ein Wort. Aber in meinem Kopf arbeitet es mächtig. Was sich hier abspielt ist doch wieder einmal eine typische Diospi Suyana-Geschichte, die man selbst erlebt haben muss um sie zu glauben. Außerdem frage ich mich, ob ich diesem hohen Regierungsbeamten nicht doch lieber den Vordersitz hätte überlassen sollen.

“Darf ich sie zu einer Tasse Tee in mein Haus einladen und Ihnen einige Bilder zeigen?”

Ingeniero Juan Cisneros willigt ein und mutmaßt, dass dieses Treffen wohl nicht ganz zufällig zustande gekommen sein kann. Er glaubt nämlich, wie ich auch, an Gott.

Während meine Frau Tina noch Brötchen schmiert und das Wasser für den Tee aufsetzt, erzähle ich eine Geschichte, die sich wie ein Märchen aus alter Zeit anhört.

Auf sechs Anisfeldern entsteht in 2 1/2 jähriger Bauzeit eines der modernsten Krankenhäuser Perus im Realwert von mittlerweile 9 Millionen USD.

Nach gut 50 Minuten bin ich mit meinem Vortrag am Ende und der Finanzchef ist völlig von den Socken. “Ich hatte keine Ahnung, was hier in Curahuasi vor sich gegangen ist. Natürlich müssen wir helfen!”

Als nächstes folgt die Führung durch das Krankenhaus, die ihre Wirkung nicht verfehlt. “Am Montag mache ich mich gleich an die Arbeit, die Zementierung muss vor dem Beginn der Regenzeit abgeschlossen sein!”

In zehn Tagen fliege ich nach Deutschland. Bis jetzt hatte ich keine Ahnung, dass die eigentliche Zustimmung vom Finanzchef kommen muss. Ohne das mysteriöse Treffen am Taxistand hätten wir lange auf die Befestigung der Zufahrtstraße warten können.

Und nun die große Preisfrage des Tages: “Wer hat diese unglaubliche Begegnung inszeniert?” War alles wieder einer dieser unwahrscheinlichen Zufälle, die sich bei Diospi Suyana ziemlich häufen, oder hatte Gott seine Hand im Spiel? Sie entscheiden selbst. / KDJ

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