Cola light, Käse light, Evangelium light

Es ist Donnerstagnachmittag. In wenigen Minuten beginnt mein zweiter Vortrag auf dem Internationalen Kongress "Coicom" in Legucigalpa. Mein Thema wird sich mit der Frage beschäftigen, wie wir als Christen in den Bereichen Gesundheit und Erziehung zum Wohle der Menschen und zur Ehre Gottes Einfluss nehmen können.

Ich frage die Moderatorin wie hoch der Prozentsatz an evangelikalen Christen in Honduras mittlerweile ist. Die gebildete Dame, Direktorin eines evangelischen Institutes, scheint es ganz genau zu wissen. "49%", sagt sie ohne zu Zögern. "Nun", frage ich, "wenn so viele Menschen überzeugte Christen geworden sind, hat sich die Gesellschaft in Honduras zum Besseren verändert?".  Die junge Frau schüttelt den Kopf. "Jetzt folgt unweigerlich meine dritte Frage. "An was liegt das?" "Hm" murmelt sie, "viele evangelikale Christen in Honduras kennen nur das Evangelium light!"

Ein "Evangelium light" besteht aus schönen herzerwärmenden Liedern am Sonntagmorgen. Es drückt sich aus in der Hoffnung, dass Gott uns lieb hat wie wir sind, unsere Sünden vergibt und uns ansonsten machen lässt, was wir wollen. Natürlich bitten wir um Heilung von unseren Krankheiten und falls wir doch sterben sollten, dann erhoffen wir uns das Ewige Leben im Himmel. Das Evangelium light führt nicht zu einer gesellschaftlichen Veränderung, weil es uns selbst in Wirklichkeit nicht verändert hat. Es blendet das Kreuz der Nachfolge aus und erschöpft sich in oberflächlicher Frömmigkeit ohne Verantwortung für unseren Nächsten.

Freitagnachmittag: Während meiner Rückreise nach Peru habe ich drei Stunden Aufenthalt auf dem Internationalen Flughafen von El Salvador. Als ich durch die Gänge laufe, entdecke ich ein großes Gemälde an der Wand. Es zeigt Oscar Arnulfo Romero. Meine Gedanken eilen zurück, ja ich kann mich noch an die Schlagzeilen in der Zeitung damals erinnern.

Am 12. März 1977 wurde Oscar Arnulfo Romero zum neuen Erzbischof El Salvadors ernannt. Für viele Priester bedeutete seine Beförderung eine herbe Enttäuschung. Bis dahin hatte sich Romero einen Namen als konservativer Kirchenführer gemacht. Die Not der Armen, die soziale Ungerechtigkeit und der Kampf vieler Priester um eine Reform der Gesellschaft standen nicht auf seiner Agenda. Er wollte vielmehr ein geheiligtes und Gott wohlgefälliges Leben führen. 

Nur 17 Tage später wird der Jesuiten Priester Rutilio Grande auf offener Straße von den Todesschwadronen des Regimes ermordet. Romero schrieb später: "Als ich Rutilio tot vor mir liegen sah, dachte ich, "wenn sie ihn umgebracht haben für das, was er tat, dann muss ich jetzt in seine Fußstapfen treten!"

Ab diesem Tage nahm Romero kein Blatt mehr vor dem Mund. Er kritisierte die rechtsgerichtete Regierung seines Landes, die die Privilegien weniger Familien sicherte ohne auf das Leid der Armen Rücksicht zu nehmen, in aller Offenheit. In seinen wöchentlichen Radioansprachen verlas er die Namen der ermordeten Priester und analisierte schonungslos die politischen Realitäten seines Landes. Die Bevölkerung El Salvadors klebte an den Radogeräten, wenn der mutige Geistliche das ausprach, was sich viele nicht zu sagen wagten: Die Wahrheit.

Es kam der 24. März 1980. Der Erzbischof leitete in der Kirche" La Divina Providencia" (Die göttliche Vorsehung) einen Gottesdienst. Als er gerade den Abendmalskelch hob, ertönten Schüsse. Romero brach tot in sich zusammen. Eine Woche später wurde er beerdigt. 250.000 Menschen folgten seinem Sarg.

Am 4. Februar 1943 hatte Romero in sein Tagebuch geschrieben: "In den letzten Tagen arbeitet Gott an mir und hat in mir den Wunsch geweckt ein geheiligtes Leben zu führen!" – Romero wurde 62 Jahre alt. Es waren die letzten drei Jahre seines Lebens die Weltgeschichte geschrieben haben. Für Christen über alle Konfessionsgrenzen hinweg bewies er, dass unser Glaube an Gott eine soziale Dimension hat für die es sich zu Sterben lohnt. Kein Evangelium light. 

Wenn wir alle einmal vor Gott stehen werden, wird der Allmächtige nicht nach unserer Kirchenzugehörigkeit fragen. Auch unsere geistlichen Erfahrungen und heiligen Gefühle werden wohl nicht zur Sprache kommen. Er wird uns vielmehr an ein Wort aus dem Evangelium des Matthäus erinnern:

"Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.

Dann werden ihm die Gerechten antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und dir zu essen gegeben, oder durstig und dir zu trinken gegeben? Und wann haben wir dich fremd und obdachlos gesehen und aufgenommen, oder nackt und dir Kleidung gegeben? Und wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?

Darauf wird der König ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.

Dann wird er sich auch an die auf der linken Seite wenden und zu ihnen sagen: Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.

Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder obdachlos oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen?

Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben.

Ich bin mir nicht sicher, dass ich dieses Evangelium in der evangelischen Freikirche meiner Kindheitstage so gehört habe. Wenn es in einem Land wie Deutschland zwei Millionen evangelikale Christen gibt, und die Gesellschaft wird nicht besser. Woran liegt das? /KDJ

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