Bernarda Gutierrez – die kolumbianische Kämpferin

Hermana Gutierrez slider

Sie siegte in einer ausweglosen Lage

Auf unserer Rückreise nach Lima machen mein Sohn und ich einen allerletzten Abstecher. Wir betreten kolumbianischen Boden um Bernarda Gutierrez einmal live zu erleben.

Dienstagmorgen 10 Uhr. Ein Taxifahrer bringt uns in den Süden Bogotas. Und fast überpünktlich drücken wir auf den Klingelknopf. Einige Augenblicke später lacht sie uns herzlich an. „Kommen Sie herein!“, sagt sie und bittet uns mit der Hand ins Haus.

Aufmerksam mustere ich ihr Gesicht. Sie hat lebhafte Augen und altersentsprechende Charakterfalten. So sieht also die Frau aus, von der ich schon so viel gehört habe.

Ohne den üblichen südamerikanischen Vorspann lenke ich das Gespräch direkt auf die 80er Jahre. Bernarda und ihr Mann wohnen auf dem Lande. Gemeinsam kümmern sie sich um ihre 11 Kinder. Das heißt, wenn er nüchtern ist, kommt seine Kinderliebe zum Vorschein. Leider hängt ihr Mann an der Flasche und verbringt viel Zeit mit seinen Saufkumpanen. Die erweiterte Großfamilie lebt vom Coca-Anbau im Regenwald. Man könnte ihren Mann mit einer Reihe von Eigenschaften beschreiben. Religiosität zählt sicherlich nicht zu ihnen.

Doch dann schlägt unerwartet die Krankheit zu. Das Laufen fällt ihm immer schwerer. Bald kann er seine Beine nicht mehr kontrollieren. Mit der Kraft seiner Armmuskeln hält er sich noch irgendwie an Krücken aufrecht. Die Prognose der Ärzte ist niederschmetternd: „Ihr Leiden ist nicht heilbar, sie werden als Krüppel im Rollstuhl enden!“

Der Kranke hadert mit seinem Schicksal und stellt die Sinnfrage. „Was ist mein Leben noch wert?“ Der Mittvierziger ist verzweifelt und depressiv. Als er eines Tages einen alten Stammtischbruder trifft, klagt er ihm in allen Farben seine Not. „Es tut mir leid“, sagt sein ehemaliger Kumpel „aber es gibt eine Hoffnung für Dich. Ich bin Christ geworden und ich möchte Dich gerne in einen Gottesdienst einladen!“

Sr. Gutierrez hatte mit Glauben und Gott nie etwas am Hut. Aber in Anbetracht seiner schrecklichen Diagnose wirken seine früheren spöttischen Sprüche merkwürdig hohl. Am gleichen Abend humpelt er auf seinen Krücken in den Kirchraum einer evangelischen Gemeinde.

Was nun passiert ist mit Worten kaum zu beschreiben. Zum ersten Mal spürt er die Gegenwart Gottes. Die Liebe Christi umflutet ihn auf völlig unerklärliche Weise. Er bricht zusammen und weint. Sein Kummer über sein verpfuschtes Leben, seine Angst vor der unaufhaltsamen Krankheit, seine Hoffnungslosigkeit, all seine Sorgen brechen aus ihm heraus. Aber in jenen Minuten passiert noch viel mehr. Als er sich vom Boden erhebt, kann er wieder normal laufen. Gott hat ihn geheilt. Am Ende des Gottesdienstes verlässt er überglücklich und völlig gesund den Kirchsaal.

Bernarda blickt in das freudige Gesicht ihres Mannes. Offensichtlich ist er nicht nur von seiner Krankheit auf wundersame Weise genesen, sondern zudem total verändert. Von einem Tag auf den anderen hat der Alkoholiker seine Sucht überwunden. Einige Wochen später macht Bernarda eine ähnliche Erfahrung in der gleichen Kirchengemeinde. Kaum hat sie die Schwelle überquert, wird sie von der Realität Gottes überwältigt. Alles wird nun neu zu Hause. Das Familienleben gewinnt eine ungeahnte Qualität. Das Ehepaar vertraut jetzt gemeinsam auf Gott und geht die ersten Schritte im Glauben.

Wer will es dem Mann verdenken, dass sich sein Denken um die reale Kraft Gottes dreht. Alle seine Freunde und Verwandten müssen das erfahren. Auch sie brauchen eine Veränderung. Und sie müssen unbedingt aus dem Drogengeschäft aussteigen.

Sr. Gutierrez erntet nicht nur Anerkennung, sondern auch Gelächter und Spott. Seine früheren Spezis ärgern sich über das fromme Gefasel. Warum sollen sie aus dem lukrativen Drogenanbau raus, nur weil ihr Ex-Kumpel Gutierrez einen auf heilig macht. Als Jesus vor 2000 Jahren vom Kreuz der Nachfolge sprach, hatte er wohl schon Bernardas Ehemann vor Augen. Denn Zwei Jahre später, irgendwo im Regenwald, bringen die Kerle aus dem Drogenmilieu Gutierrez um und werfen seine Leiche in den Fluss.

Bernarda weiß von alle dem nichts. Sie wartet auf die Rückkehr ihres Gatten. Da hat sie eines Nachts einen merkwürdigen Traum. Sie sieht ihren Mann, wie er sich an einer kristallklaren Quelle die Hände wäscht. Sie steht daneben und tut es ihm gleich. Das Wasser spült mehr als nur ihre Hände, es reinigt ihr ganzes Leben. Doch was ist das? Das Gesicht ihres Mannes beginnt zu leuchten und dann führen zwei Engel ihn hinweg. Eine seltsame Vision. Ob sie vielleicht eine tiefere Bedeutung hat?

Einige Tage später erfährt sie vom gewaltsamen Tod ihres Ehemanns. Mit unheimlicher Wucht bricht die Trauer über sie herein, aber die seelische Pein kann sie nicht zerdrücken. Sie weiß, dass Gott sie durch den Traum vorbereitet hat. Ihr Mann ist zwar tot, aber in Gottes Hand geborgen.

In den besten Jahren und schon Witwe. Verantwortlich für 11 Kinder und völlig mittellos. Bernarda kniet zu Hause nieder und schüttet Gott ihr Herz aus. Wie von ungefähr öffnet sie die Bibel. Da springt ein Bibelvers in ihre Augen: „Ich bin ein Gott der Witwen und Waisen!“

Jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben. Bernarda muss und will ihre Kinder großziehen. Sie sucht ihre Hilfe täglich im Gebet. Auf Knien ringt sie mit Gott. Der Unsichtbare kommt ihr immer näher. Er erhört ihre Gebete und sieht ihre Sorgen. Die kleine Frau steigt im Gebet über sich hinaus. Gott der barmherzige und treue verleiht ihr ein Durchhaltevermögen, das sie sich selbst nie zugetraut hätte. Beten und Fasten werden ein wichtiger Teil ihres Lebens.

Über 30 Jahre sind ins Land gegangen. Bernarda ist eine einfache Frau, aber ihr Glaube ist tief und echt. Alle Familienmitglieder hat sie – einen nach dem anderen – aus dem Drogengeschäft herausgebetet. Die Wunder, die sie mit Gott erlebt hat, könnten mehr als nur ein Buch füllen.

„Hermana“ (Schwester) sage ich zur Urgroßmutter vor mir: „Ihre Geschichte muss unbedingt für die Nachwelt erhalten bleiben. Bis Weihnachten sollte ihr Buch geschrieben sein!“

Bevor wir uns verabschieden spricht Bernarda ein Segensgebet für uns. Es kommt aus dem Herzen und ist voller Leidenschaft. Sie redet mit dem Schöpfer des Universums, den wir zwar nicht sehen, aber erleben können. Ich spüre instinktiv, dass in diesen Minuten jeder Satz und jedes Wort Gewicht haben. Der Segen dieser alten Frau ist mir lieb und teuer.

Draußen scheint die Sonne. Der Zweck der Reise nach Kolumbien ist erfüllt. Oder doch noch nicht. Das Buch muss noch geschrieben werden. Es wird mir eine Ehre sein Bernarda dabei mit Kontakten zu helfen./KDJ

Bild oben: Bernarda (links) zeigt uns ein altes Foto auf dem einige ihrer Kinder abgebildet sind.

2 Kommentare
  1. Bei dem Lebenslauf dieser außergewöhnlichen Frau fällt mir sofort die Parallele zu dem Lebensbericht der Hilaria Supa Huaman ein. Nachdem der deutsche Südamerika-Kenner Dr. Heiko Beyer deren unglaubliche Lebensgeschichte kennenlernte, schlug er ihr vor, darüber ein Buch zu schreiben. Er ließ sich durch zahlreiche Absagen von Velegern und Verlagen nicht entmutigen und gründete zur Veröffentlichung des Buches “Awayu” einen eigenen Verlag (vision21) Das Buch wurde ein Bestseller und das Geld kam zu 100% Hilaria zu Gute. Sie verwendete es für den Start ihrer politischen Karriere und und wurde 2006 in das peruanische Parlament gewählt. Dort legte sie als erste ihren Eid in der indigenen Sprache, dem Quechua ab. Die Geschichte der Hilaria ist nachzulesen in dem Buch : AWAYU, Verlag Vision21. Ich kann mir vorstellen, dass Herr Beyer auch an der Veröffentlichung eines Buches über die Geschichte Bernardas Gutierrrez interessiert wäre.
    Alfred Mähr

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