Ashley Down – Respekt und eine tiefe Ehrfurcht

Ashley Down in gruen red

Samstagnachmittag um 14:50 Uhr in Bristol

Dr. Georgiana Samoila hatte Nachtdienst an der Universitätsklinik in Cardiff. Man sieht es ihr gar nicht an, dass sie in der Nacht kein Auge zugetan hat. Jetzt steht sie vorne im Kirchsaal der Highfields Church und berichtet von ihren Erfahrungen bei Diospi Suyana in Peru. Vor 26 Jahren lebten meine Frau und ich auch in Cardiff und auch damals ging es in den Nachtschichten richtig zur Sache. Georgiana hat meinen Vortrag vorbereitet. 25 Zuhörer sitzen gegen 10 Uhr aufmerksam auf ihren Stühlen, um mehr über das “Krankenhaus des Glaubens” zu erfahren. Ich werde es tun mit Begeisterung und Leidenschaft. Aber ich weiß, dass Diospi Suyana nur eines unter vielen Glaubenswerken ist, die Geschichte geschrieben haben.

George-Muller-Bristol quer
Georg Müller

Um die Mittagszeit fahre ich die 250 Kilometer nach London zurück. Unterwegs genehmige ich mir einen Abstecher nach Bristol. Ich hoffe, dass ich in der Straße “Ashley Down” die berühmten Waisenhäuser von Georg Müller aufspüren kann. Kurz vor 3 Uhr am Nachmittag erkenne ich rechterhand die großen Gebäude, die seit vielen Jahren zum “City of Bristol College” gehören.

Etwas beklommen steige ich aus dem Auto aus. Wie oft habe ich schon über Georg Müller gelesen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts baute der Deutsche aus Preußen diese geräumigen Häuser, die für 2.000 Waisenkinder Platz boten.  Zu seinen Lebzeiten kümmerte sich Pastor Müller um über 10.000 Waisenkinder, die er auf den Straßen Bristols aufsammelte. Er gab den obdachlosen Kindern nicht nur ein Dach über dem Kopf sowie Kleidung und Essen, sondern auch eine berufliche Ausbildung. Viele Bürger Bristols kritisierten den Pastor dafür, dass er soviel Geld für die Armen verschwenden würde.

Georg Müller bat keinen Menschen um finanzielle Unterstützung, wohl aber Gott im Gebet. Umgerechnet erhielt er fast 150 Millionen Euro an Spenden für “seine” Kinder. Auf allen Kontinenten hat man seine Erfahrungen mit Gott in Büchern und Zeitschriften nacherzählt.

Waisenhaus bristol
Foto von gestern: Im obigen Bild die linken beiden Häuser

Als Georg Müller im Alter von 94 Jahren starb, läuteten überall in Bristol die Glocken.

Am Morgen, dem 14. März 1898 fand der größte Begräbnisgottesdienst in der Geschichte Bristols statt. Alle Geschäfte und Firmen der Stadt waren geschlossen. Tausende von Menschen säumten die Straßen, um einen Blick auf den Leichenzug zu erhaschen. Etwa eintausendfünfhundert seiner Waisen liefen in Reihen hinter dem Wagen mit dem Sarg Georg Müllers her. Über hundert Pferdekutschen begleiteten den Zug, darunter auch die des Bürgermeisters von Bristols und seiner Familie.

Über die Trauerfeierlichkeiten wurde in ganz England berichtet und die Neuigkeit ging telegraphisch um die Welt. Der Daily Telegraph schrieb: „Georg Müller hat den grausamen Straßen Tausende von Opfern, den Gefängnissen Tausende von Verbrechern und den Armenhäusern Tausende von hilflosen Heimatlosen geraubt!“

Georgiana Cardiff
Dr. Georgiana Somoila erzählt von ihren Erfahrung bei Diospi Suyana in Peru.

Und der Liverpool Mercury stellte die Frage: „Wie ist dieses Wunder geschehen? Herr Müller hat der Welt gesagt, es sei das Resultat von Gebet. Der Rationalismus von heute wird diese Erklärung verhöhnen, doch die Fakten sprechen für sich!“

Nach einigen Fotos steige ich wieder in mein Auto. 116 Jahre sind seid dem Tod von Georg Müller vergangen. Für viele wurde er zum Vorbild, auch für meine Frau und für mich. Möge Gott es schenken, dass man auch Diospi Suyana immer als Glaubenswerk in Erinnerung behalten wird. Aus dem Gebet entstanden und auf dem Glauben gegründet.

Beerdigung Georg Müller
14. März 1898: Über 100.000 Menschen nahmen von Georg Müller Abschied.

Ein Gedanke zum Schluss. Die Tausenden von Straßenkindern auf den Straßen Bristols hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Lobby. Weder die Politik, noch die “moralische Mehrheit” der Bürger Bristols setzte ich für diese Wehrlosen ein. Der überzeugte Christ Georg Müller stand mit seinem Werk erst ziemlich alleine.

Ich denke, dass die unzähligen Kinder, die heute in Europa vor der Geburt abgetrieben werden, auch keine lautstarke Lobby haben. Egal, ob wir Christen mit unserer Überzeugung für das Leben eine Minderheitsposition vertreten oder nicht, wir müssen alles tun, um diesen Kindern zu helfen. Das sagen wir, als Ärzte. /MJ und KDJ

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