Der Fund, der einschlug wie eine Bombe

Katharinen Kloster

Sind die biblischen Texte zuverlässig?

Am 12. Mai 1844 bricht Konstantin von Tischendorf auf. In seiner Begleitung sind der Dragoman, der Dolmetscher und drei Beduinen. Verkehrsmittel ist das Kamel. Bei glühender Hitze führt der Weg durch die Einsamkeit der Wüste, durch eine Furt des Roten Meeres, durch üppig wuchernde Oasen und durch die wildromantische Felsenwelt der Ausläufer des Sinai. Nach zehn Tagen hat das Ziel erreicht: das Kloster St. Katharinen am Fuße des Sinai, erbaut im Jahre 530 unter Kaiser Justinian…

…”seit acht Tagen bin ich nun im Katharinenkloster”, schreibt er in sein Tagebuch, “aber diese Bande von Mönchen! Hätte ich militärische Kraft und Gewalt, ich würde ein heiliges Werk tun, würfe ich dieses Gesindel über die Mauern!” Soviel ist für ihn sicher: Sollten sich in diesem Kloster tatsächlich noch wahrhaft wertvolle Dokumente befinden, kein einziger der ganzen Mönchsgesellschaft würde sich je darum kümmern.

Aber er sucht unverzagt weiter. Er gräbt sich durch Stapel modernder Bücher hindurch, stößt auf dicke Folianten, die von Maden wimmeln, findet halb verfaulte Pergamente, atmet Staub und Schmutz. Und endlich dreht er in irgendeinem Abstellraum einen riesigen Papierkorb um. Das ist der Augenblick, in dem die bedeutendste biblische Urkunde der Welt gefunden wird. Hier, achtlos fortgeworfen, im Abfall, zerknüllt und zerrissen, zum Verbrennen bestimmt, liegen 129 Pergamentblätter, beschrieben mit griechischen Buchstaben: eine Handschrift der Septuaginta aus dem Jahre 350 nach Christus. Die älteste bis dahin bekanntgewordene Bibelhandschrift.

Schließlich während seiner dritten Reise zum Kloster Jahre später. …Mit fliegenden Händen blättert Tischendorf die Pergamente durch. Ja, da sind die restlichen Bogen, die er seinerzeit in der Bibliothek gefunden hat und nicht mitnehmen durfte, und dann, dann muss er die Augen schließen: Dann liegt vor ihm in sauberer griechischer Schrift das gesamte, vollständige Neue Testament. Von der gleichen Hand geschrieben wie die übrigen Blätter, aus dem Jahre 350 nach Christus. Tischendorf hält das bei weitem älteste neutestamentliche Zeugnis der Welt in der Hand. Insgesamt 346 Blätter – jedes ein Vermögen wert.

In dieser Nacht schläft Tischendorf nicht. Er sitzt beim trüben Schein seiner Kerze über seinem Fund, lässt Blatt für Blatt durch die Finger gleiten und beginnt immer wieder zu lesen. Er muss diesen Codex haben! Hier liegt die älteste Quelle für die Schriften des Neuen Bundes, hier liegt der Schlüssel zur Klärung von tausend Fragen, und hier liegt die Absage an das Heer der Zweifler, der wissenschaftlichen wie der unwissenschaftlichen.

Der Codex Sinaiticus ist auch heute noch die stärkste Garantie für die Treue der biblischen Texte, Garantie auch für den modernen Leser, der die neueste Bibelausgabe aufschlägt. (Auszüge aus 6000 Jahre und ein Buch von Günther S. Wegener, Bestseller)

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