C.S. Lewis schreibt zum Thema Hoffnung

Aus seinem Bestseller “Pardon, ich bin Christ”

Die Hoffnung ist eine der theologischen Tugenden. Das bedeutet, dass der beständige Blick voraus in die Ewigkeit nicht etwa (wie heute manche Leute denken) eine Art Eskapismus oder Wunschdenken ist, sondern zu den Dingen gehört, die ein Christ tun sollte. Es bedeutet keineswegs, dass wir die gegenwärtige Welt so lassen sollten wie sie ist. Wenn Sie in die Geschichtsbücher schauen, werden Sie feststellen, dass die Christen, die am meisten für die gegenwärtige Welt getan haben, gerade diejenigen waren, die am höchsten von der zukünftigen Welt dachten. Die Apostel selbst, die die Bekehrung des Römischen Reiches in Gang brachten, die großen Persönlichkeiten, die das Mittelalter gestalteten, die englischen Evangelikalen, die den Sklavenhandel abschafften – sie alle hinterließen ihre Spuren auf der Erde, gerade weil sie mit den Gedanken schon im Himmel waren. Erst seit die meisten Christen aufgehört haben, an die andere Welt zu denken, sind sie in dieser Welt so wirkungslos geworden. Zielt man auf den Himmel, so bekommt man die Erde als “Zugabe”; zielt man auf die Erde, so bekommt man keins von beiden.

Das scheint eine seltsame Regel zu sein, aber so etwas Ähnliches lässt sich auch in anderen Bereichen beobachten. Gesundheit ist ein großer Segen, aber sobald man die Gesundheit zu einem seiner unmittelbaren Hauptziele macht, fängt man an, sich in einen eingebildeten Kranken zu verwandeln. Die Chance, gesund zu bleiben, kann man nur steigern, indem man vorrangig nach anderen Dingen strebt – Essen, Spiel, Arbeit, Spaß, frische Luft. Ebenso werden wir die Zivilisation nicht bewahren, solange Zivilisation unser Hauptziel ist. Wir müssen lernen, etwas anderes noch mehr zu wollen.

Den meisten von uns fällt es schwer, sich den Himmel überhaupt zu wünschen – außer insofern, als wir unter Himmel das Wiedersehen mit unseren verstorbenen Freunden verstehen. Ein Grund für diese Schwierigkeit ist, dass wir darin nie geschult worden sind. Unsere ganze Bildung tendiert dahin, unsere Gedanken auf diese Welt auszurichten. Ein weiterer Grund ist, dass wir den wirklichen Wunsch nach dem Himmel oft selbst dann nicht erkennen, wenn er in uns vorhanden ist. Die meisten Leute wüssten, wenn sie wirklich gelernt hätten, in ihre eigenen Herzen zu schauen, dass sie tatsächlich etwas wollen, ja sich schmerzlich nach etwas sehnen, was in dieser Welt nicht zu haben ist.

Es gibt zwar in dieser Welt alle möglichen Dinge, die verheißen, einem dieses Etwas zu verschaffen, aber ganz einlösen können sie das nie. Die Sehnsüchte, die in uns aufsteigen, wenn wir uns zum ersten Mal verlieben, wenn wir zum ersten Mal über irgendein fremdes Land nachdenken oder wenn wir uns zum ersten Mal mit einem Thema beschäftigen, das uns begeistert, können durch keine Ehe, keine Reise und kein Studium jemals gestillt werden. Und dabei will ich von im landläufigen Sinn gescheiterten Ehen, Urlauben und akademischen Laufbahnen gar nicht erst reden. Ich rede von den bestmöglichen Fällen. Da war etwas, wonach wir in jenen ersten Momenten des Sehnens die Hand ausstreckten und was in der Wirklichkeit einfach entschwindet. Ich glaube, jeder weiß, was ich meine. Wir mögen eine gute Ehefrau finden, die Hotels und die Landschaft mögen überwältigend sein, und die Chemie mag sich als äußerst interessantes Fachgebiet erweisen; aber trotzdem ist uns etwas entglitten. Nun gibt es zwei falsche Möglichkeiten und eine richtige, damit umzugehen.

1. Der Weg des Narren. Der Narr gibt die Schuld den Dingen selbst. Er bildet sich sein Leben lang ein, wenn er es nur mit einer anderen Frau versuchte oder einen teureren Urlaub machte oder was auch immer, dann würde er dieses mal jenes geheimnisvolle Etwas erhaschen, hinter dem wir alle her sind. Die meisten der gelangweilten, unzufriedenen Reichen auf der Welt gehören zu diesem Typ. Sie verbringen ihr ganzes Leben damit, sich (durch die Scheidungsgerichte) von einer Frau zur anderen, von einem Kontinent zum anderen, von einem Hobby zum nächsten zu hangeln, immer in dem Glauben, das Neueste sei nun endlich “das Wahre” , und werden immer wieder enttäuscht.

2. Der Weg des abgeklärten “Vernunftmenschen”. Dieser kommt bald zu dem Schluss, die ganze Sache sei nur Blödsinn gewesen. “Natürlich”, sagt er, “geht es einem so, wenn man jung ist. Aber wenn man dann erst einmal in meinem Alter ist, jagt man nicht mehr nach dem Ende des Regenbogens.” Und so richtet er sich ein und lernt, nicht zu viel zu erwarten, und unterdrückt den Teil seines Inneren, der früher einmal “nach den Sternen greifen” wollte.

Besser als der erste Weg ist das allemal, denn man wird auf diese Weise erheblich glücklicher und fällt der Gesellschaft nicht so sehr zur Last. Man wird so zwar leicht etwas hochnäsig (weil man sich natürlich dem, was man als “pubertär” bezeichnet, haushoch überlegen fühlt), aber im Ganzen kommt man ganz angenehm über die Runden. Dieser Weg wäre sicherlich der beste, wenn der Mensch nicht ewig leben würde. Aber angenommen, es gibt doch so etwas wie ein unendliches Glück, das nur auf uns wartet? Angenommen, man könnte das Ende des Regenbogens tatsächlich finden? In diesem Fall wäre es ein Jammer, zu spät (nämlich einen Augenblick nach unserem Tod) zu merken, dass wir durch unsere vermeintliche “Abgeklärtheit” in uns jede Fähigkeit, dieses Glück zu genießen, erstickt haben.

3. Der christliche Weg. Der Christ sagt: “Kein Geschöpf wird mit irgendeinem Verlangen geboren, wenn es für dieses Verlangen überhaupt keine Befriedigung gibt. Ein Baby hat Hunger: Nun, es gibt so etwas wie Nahrung. Ein Entenküken möchte schwimmen: Nun, es gibt so etwas wie Wasser. Menschen empfinden sexuelles Verlangen: Nun, es gibt so etwas wie Sex. Wenn ich aber in meinem Innern ein Verlangen verspüre, das durch kein Erlebnis dieser Welt befriedigt werden kann, dann ist die wahrscheinlichste Erklärung dafür die, dass ich für eine andere Welt gemacht bin. Wenn keine meiner irdischen Freuden dieses Verlangen stillt, dann beweist das nicht, dass das Universum lauter Lug und Trug ist. Wahrscheinlich waren die irdischen Freuden nie dazu gedacht, es zu stillen, sondern nur dazu, es zu wecken und uns auf das Eigentliche hinzuweisen.

Wenn das so ist, muss ich einerseits darauf achten, diese irdischen Segnungen nie zu verachten oder undankbar dafür zu sein, und andererseits darauf, sie nie mit diesem anderen Etwas zu verwechseln, von dem sie nur eine Art Nachahmung oder Echo oder Traumbild sind. Ich muss also in mir das Verlangen nach meiner wahren Heimat wach halten, die ich erst nach meinem Tod finden werde. Ich darf sie nie im Schnee versinken oder ins Abseits gleiten lassen. Ich muss es mir zum  höchsten Ziel im Leben machen, auf dieses andere Land zuzugehen und anderen zu helfen, sich ebenfalls auf den Weg dorthin zu machen.

Lassen wir uns nicht von Spaßvögeln irre machen, die die christliche Hoffnung auf den “Himmel” ins Lächerliche ziehen wollen, indem sie sagen, sei hätten keine Lust, “bis in alle Ewigkeit Harfe zu spielen”. Die passende Antwort an solche Leute lautet: Wer Bücher, die für Erwachsene geschrieben sind, nicht verstehen kann, der soll auch nicht darüber reden. Die ganze biblische Bildersprache (Harfen, Kronen, Gold usw.) ist natürlich ein rein symbolischer Versuch, das Unaussprechliche auszusprechen. Musikinstrumente werden deshalb erwähnt, weil für viele (wenn auch nicht für alle) Menschen Musik die Sache im gegenwärtigen Leben ist, die sie am stärksten an einen Freudenrausch und an die Unendlichkeit denken lässt. Von Kronen ist die Rede, um anzudeuten, dass diejenigen, die in Ewigkeit Gemeinschaft mit Gott haben, auch seine Herrlichkeit und Macht und Freude mit ihm teilen. Gold wird erwähnt, um von der Zeitlosigkeit (Gold rostet nicht) und der Kostbarkeit des Himmels zu sprechen. Wer diese Symbole buchstäblich auffasst, wird wohl auch die Aufforderung Christi an uns, wie die Tauben zu sein, so verstehen, dass wir Eier legen sollen.

(C.S. Lewis war ein enger Freund Tolkiens. Er lehrte Literatur an der Oxford und Cambridge University. Der überzeugte Atheist machte eine Bekehrung durch und entwickelte sich zu einem der wichtigsten christlichen Apologeten des 20. Jahrhunderts. Er ist auch der Autor der Chroniken von Narnia, die von Hollywood verfilmt wurden. Lewis verstarb 1963.)

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