Ausnahmezustand

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Eine aufgebrachte Menschenmenge vor dem Hospital Diospi Suyana

Das Unheil bahnte sich bereits am Sonntag an. Gegen Abend hatten sich über 100 Menschen am Haupteingang eingefunden in der Hoffnung einen Arzttermin zu ergattern. Am Montagmorgen standen dann über 500 Wartende vor dem Tor. Etwa 300 von ihnen – Patienten und Verwandte – durften das Spital betreten. Mindestens 200 verärgerte Peruaner mussten draußen bleiben. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt.

Gegen 9 Uhr gehe ich langsam auf diese dunkle Wand zu. Eine fast bedrohliche Kulisse. Unsere Wächter stellen eine Bank vor die Tür und dann geht es los. Mit einem Megaphon bewaffnet versuche ich die Menschenmenge zu beruhigen. “Die meisten von ihnen sind 15 und mehr Stunden im Bus nach Curahuasi gefahren”, sage ich, “unterwegs haben sie viele Krankenhäuser des Staates links liegen gelassen. Unser Missionsspital ist am Limit angelangt!”

Eine ganze Stunde lang wechseln sich Fragen und Antworten ab. Alle wollen ins Spital und behandelt werden, aber wir haben die Kapazitätsgrenze erreicht. Einerseits kann ich die Enttäuschung der Patienten gut verstehen. Andererseits tun manche von ihnen so als hätten sie ein Recht darauf bei uns behandelt zu werden.

“Wir werden nie die große Nachfrage befriedigen können”, rufe ich durch das Megaphon. “Jeder dankbare Patient, der in sein Dorf zurückreist, motiviert zehn weitere Nachbarn nach Curahuasi aufzubrechen!”

Einer der Wortführer sagt mit voller Brust, er sei ein hochrangiger Beamter aus dem Bundesstaat Cusco. “Sie sind bei uns völlig falsch”, erkläre ich ihm, “unser Spital möchte den Armen helfen und nicht der gehobenen Mittelklasse!”

Nach einer Stunde steige ich von meiner Bank nach unten. Das lange Gespräch hat seine Ventilwirkung erfüllt. Viele haben eingesehen, dass ein Missionsspital allein nicht die Schwachstellen eines dysfunktionalen Gesundheitssystems beheben kann.

Doch wir blicken mit Sorgen in die Zukunft. Wenn die großen Ferien beginnen (Weihnachten bis März) könnte der Ansturm böse Ausmaße annehmen. Vielleicht wird das Spital dann sogar Polizeischutz benötigen. /KDJ

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Ein Versuch die Menschen zu beruhigen
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Drinnen platzt der Wartesaal aus den Nähten und draußen stehen die Menschen eng auf eng.
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Wenn wir zehn Ärzte zusätzlich zur Verfügung hätten, könnten wir vielen helfen.
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